Beschäftigungsanspruch vs. Organisationsfreiheit

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Schwerbehinderte können in einem bestehenden Arbeitsverhältnis nach § 164 Abs. 4 SGB IX (bis 31.12.2017 in § 81 Abs. 4 SGB IX geregelt) entsprechend ihres gesundheitlichen Zustands vom Arbeitgeber bis zur Grenze der Zumutbarkeit die Durchführung des Arbeitsverhältnisses verlangen. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Beschäftigungsgarantie. Dem Verlangen kann die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers entgegenstehen, den bisherigen Arbeitsplatz des Schwerbehinderten durch Organisationsänderung entfallen zu lassen. Der besondere Beschäftigungsanspruch wird dann erst bei der Prüfung sonstiger Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten berücksichtigt. Das geht aus einem Urteil des BAG vom 16.5.2019 (6 AZR 329/18) hervor.

Das langjährige Arbeitsverhältnis des schwerbehinderten Klägers, der bei der insolventen Arbeitgeberin ausschließlich Hilfstätigkeiten verrichtete, unterfiel einem tariflichen Sonderkündigungsschutz. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens erhielt der Kläger eine betriebsbedingte Kündigung, nachdem mit dem Betriebsrat ein Interessensausgleich mit Namensliste i. S. d. § 125 Abs. 1 InsO geschlossen wurde. In dieser Namensliste war der Kläger aufgeführt. Sein Arbeitsplatz sollte wegen Umverteilung der verbleibenden Aufgaben nicht mehr besetzt werden, weil Fachkräften seine Tätigkeiten mit übernehmen. Der Kläger wehrte sich gegen die Kündigung und berief sich auf den tariflichen Sonderkündigungsschutz sowie den Beschäftigungsanspruch aus § 81 Abs. 4 SGB IX a. F. Die Vorinstanzen wiesen die Kündigungsschutzklage ab. Auch die Revision hatte keinen Erfolg.

Das Arbeitsverhältnis wurde durch die Kündigung beendet. Der tarifliche Sonderkündigungsschutz zeigt nach § 113 Satz 1 InsO keine Wirkung – verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht. Der Beschäftigungsanspruch kann das Arbeitsverhältnis ebenfalls nicht retten, da keine geeignete Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. Seitens der Arbeitgeberin besteht keine Verpflichtung, einen Arbeitsplatz für den Kläger zu schaffen bzw. zu erhalten, wenn ein solcher nach dem neuen Organisationskonzept nicht mehr benötigt wird.

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