Geleitwort: Arbeit für Flüchtlinge

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 Prof. Dr. Dietrich Thränhardt - Berlin
Prof. Dr. Dietrich Thränhardt - Berlin

„Finden Asylsuchende und Flüchtlinge erfolgreich Arbeit, dann nützt das den Aufnahmegesellschaften. Der Staat muss weniger für soziale Unterstützung ausgeben. Der soziale Zusammenhalt wird gestärkt, denn Arbeit hängt eng mit anderen Integrationsbereichen zusammen. Für jeden Einzelnen ist Zugang zum Arbeitsmarkt wichtig. Arbeit hilft, das Selbstwertgefühl wieder herzustellen. Arbeit ist entscheidend für menschliche Würde, sie erleichtert die Gesundung nach traumatischen Erlebnissen, sie ermöglicht finanzielle Unabhängigkeit.“ So formulierte 2014 der „Ausschuss für Migration, Flüchtlinge und Displaced Persons“ der Parlamentarischen Versammlung des Europarates den zentralen Zusammenhang zwischen Arbeit und Integration.

Neben Sprache ist Arbeit zentral für die Integration. Deswegen ist es fatal, dass immer noch Arbeitsverbote bestehen und Asylbewerber wegen der Länge der Asylverfahren z. T. über Jahre zum Nichtstun verurteilt sind. Das behindert die Integration und führt zu Resignation. Flüchtlinge verlieren ihre anfängliche Hoffnung auf ein Leben im neuen Land. Mit Recht hat die Bundeskanzlerin darauf hingewiesen, dass „Schäden eintreten, die nie wiedergutzumachen sind“, wenn Menschen jahrelang in ihrer Aktivität stillgelegt werden.

Leider klafft eine große Lücke zwischen diesen Engagierten Worten und den widersprüchlichen Aktivitäten des Innenministeriums. Es werden immer komplexere Vorschriften ausgearbeitet, mit denen die Betroffenen und die ausführenden Kommunen dann leben müssen. Nur Syrer, Iraker, Iraner und Eritreer haben Zugang zu den Integrationskursen, alle anderen Asylbewerber sind ausgeschlossen. Zudem sind die Kapazitäten unzureichend. Afghanen warten im Durchschnitt 17 Monate auf eine Entscheidung über ihren Asylantrag. Immerhin ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter seiner neuen Leitung bemüht, die großen Rückstände aufzuarbeiten, die nicht erst mit der großen Flüchtlingswelle, sondern schon vorher entstanden sind.

Die chaotischen Umstände der Flucht schaffen keine guten Voraussetzungen für eine Arbeitsaufnahme, wie sie bei geplanter Einwanderung bestehen – etwa durch die Hilfe von Verwandten oder durch vorherige Kontakte mit Arbeitgebern. Die heutigen Flüchtlinge haben zudem einen extrem unterschiedlichen Bildungsstand. Einerseits sind sehr gut ausgebildete Menschen gekommen, vor allem aus Syrien, andererseits auch viele mit wenig oder gar keiner Schulbildung, bedingt durch Krieg oder Unterdrückung. Keines der Herkunftsländer kennt ein duales Ausbildungssystem nach deutschem Muster. Viele haben jahrelang als Schuster, Elektriker oder Friseurgearbeitet, besitzen aber kein Zeugnis, wie man es im regulierten Mitteleuropa erwartet.

Von daher wird es Anstrengung auf allen Seiten, Kreativität und Flexibilität brauchen, um die Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. Wesentliche Rahmenbedingungen sind günstig. Unser Arbeitsmarkt ist sehr aufnahmefähig, die Wirtschaft braucht angesichts des demografischen Defizits Mitarbeiter und kann sie nicht in ausreichender Zahl bei den Einheimischen finden. Die Aufnahmebereitschaft und Offenheit so vieler engagierter Freiwilliger, die sich seit dem Sommer2015 überwältigend gezeigt hat, kann helfen, Brücken ins Arbeitsleben zu bauen und individuelle Lösungen zu finden. Auch Einheimische finden ja eher über individuelle Kontakte Arbeit als über bürokratisch organisierte Vermittlung. Und schließlich ist die große Mehrheit der Flüchtlinge in einem Alter, in dem man ein langes Leben vor sich hat und noch viel lernen kann.

Viele positive Beispiele zeigen, dass die Integration gelingen kann. Es kommt darauf an, nicht nachzulassen und Arbeitswillige und Unternehmen zusammenzubringen. Unsere Einwanderungsgeschichte kann dabei Mut machen. Es ist immer wieder berührend, wenn Menschen aus der Vertriebenengeneration von 1945 sich um die neuen Flüchtlinge kümmern und sich dabei an ihr eigenes Schicksal erinnern. Was damals in einem zerstörten Land gelungen ist, kann in unserem reichen und offenen Land heute kein unlösbares Problemsein. Wenn man in Frieden für sich selbst und seine Angehörigen sorgen kann, dann ist man angekommen.

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Redaktion (allg.)

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