Teilbarkeit eines Vollzeitarbeitsplatzes

1. Möchte ein Arbeitnehmer nach seiner Rückkehr aus einer zweijährigen Elternzeit seine Arbeitzeit verringern, kann sich der Arbeitgeber als entgegenstehenden betrieblichen Grund nicht darauf berufen, die Vollzeitposition sei nicht teilbar, wenn er den Arbeitplatz bereits während der Abwesenheitszeit geteilt hatte.

2. An die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers sind in diesem Fall erhöhte Anforderungen zu stellen.

(Leitsätze der Bearbeiterin)

BAG, Urteil vom 13. Oktober 2009 – 9 AZR 910/08

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Bild: Kzenon/stock.adobe.com
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Problempunkt

Die Klägerin war seit 2000 in einer Verlagsgruppe als Art Directorin beschäftigt. Sie verantwortete den gestalterischen Außenauftritt verschiedener Verlage, die sich jeweils unterschieden. Während ihrer zweijährigen Elternzeit verteilte die Beklagte die Aufgaben auf eigene und freie Mitarbeiter um, wobei eine der Beschäftigten dies koordinierte und kontrollierte. Nach Rückkehr der Klägerin aus der Elternzeit beantragte sie, ihre Arbeitszeit von 37,5 auf 20 Wochenstunden zu reduzieren. Die Beklagte wies den Antrag mit der Begründung zurück, es stünden betriebliche Gründe entgegen. Der Arbeitsplatz sei nicht teilbar. Für einen einheitlichen Außenauftritt der Verlagsgruppe müsse die Koordination in einer Hand liegen. Es sei daher nicht möglich, die Aufgabe aufzuteilen. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, das LAG wies sie ab

Entscheidung

Das BAG hob das Urteil des LAG auf und verwies die Sache zurück. Der Arbeitgeber hatte zwar ausreichend begründet, dass es ein betriebliches Organisationskonzept gibt, das eine Vollzeitbeschäftigung für die Position der Klägerin vorsieht. Dieses beschränkt sich nicht nur auf den Arbeitszeitumfang, sondern sieht konkret vor, einen einheitlichen Marktauftritt aller Verlage anzustreben. Dieser lässt sich nur gewährleisten, wenn eine Art Directorin sämtliche Verlage betreut. Dem steht der Wunsch der Klägerin entgegen, ihre Arbeitszeit zu verringern. Das BAG bezweifelte aber, dass der Arbeitgeber das vorgetragene Organisationskonzept auch tatsächlich so umsetzt und der Arbeitsplatz deshalb nicht teilbar ist. Schließlich bewies die Beklagte in den zwei Jahren der Elternzeitvertretung genau das Gegenteil: Es war möglich, die Stelle aufzuteilen.

Damit erteilte das BAG der Auffassung des LAG eine Absage, wonach eine nur vorübergehende Teilung noch nicht bedeute, dass eine solche auch dauerhaft möglich sei. Für das BAG sind zwei Jahre eine ausreichende Zeit. Sofern die Teilung über diesen Zeitraum störungsfrei verlief, stellt dies ein Indiz dar, dass es tatsächlich möglich ist, die Stelle zu teilen und die Klägerin einen Anspruch darauf hat, ihre Arbeitszeit zu verringern. Um diesen aus betrieblichen Gründen zu verhindern, hätte der Arbeitgeber vortragen müssen, welche Störungen eingetreten seien und mit welchen er in Zukunft rechnen müsse. Dies hat das LAG nun zu prüfen und dabei den vom BAG vorgegebenen Beurteilungsmaßstab zu berücksichtigen.

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Konsequenzen

Besteht ein Arbeitsverhältnis mindestens sechs Monate und beschäftigt der Arbeitgeber regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer, muss er gemäß § 8 TzBfG einem Teilzeitwunsch nachkommen, solange keine betrieblichen Gründe dagegen sprechen. Das BAG bestätigte in diesem Urteil seine ständige Rechtsprechung der dreistufigen Prüfung, ob solche betrieblichen Gründe vorliegen:

> Auf der ersten Stufe muss der Arbeitgeber darlegen, dass ein organisatorisches Konzept vorliegt. Dieses darf sich nicht nur darauf beschränken, dass es sich eben um eine Vollzeitposition handelt.

> Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob die vom Arbeitgeber gewünschte Arbeitszeitregelung dem Organisationskonzept widerspricht.

> Auf der dritten Stufe sind die betrieblichen Gründe zu gewichten: Würde der Teilzeitwunsch die unternehmerische Aufgabenstellung wesentlich beeinträchtigen?

Für alle drei Stufen trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Das BAG machte zudem deutlich, dass es ein wichtiges Indiz ist, wenn das Unternehmen eine Position zeitweise geteilt hat – dies spricht zunächst dafür, dass eine solche Teilung auch dauerhaft möglich ist.

Praxistipp

Die Entscheidung zeigt, dass Arbeitgeber frühzeitig Weichen stellen können und müssen, um sich die Möglichkeit offenzuhalten, betriebliche Gründe gegen einen Teilzeitwunsch anzuführen. Bereits bei der Frage, wie sie die Vertretung für einen Arbeitnehmer in Elternzeit organisieren, gilt es, die Auswirkungen auf spätere Teilzeitwünsche im Blick zu behalten:

> Will der Arbeitgeber eine Position weiterhin mit einer Vollzeitkraft besetzen, sollte er eine Vollzeit-Vertretungskraft einsetzen, um sich nicht später die Argumentation unnötig schwer zu machen.

> Teilt er die Stelle dennoch auf mehrere Arbeitnehmer auf, muss er gründlich dokumentieren, welche Probleme hierbei aufgetreten sind und eine Prognose anstellen, welche davon auch in Zukunft eintreten werden. Es ist wichtig, später konkrete, untragbare Nachteile und Störungen im Betriebsablauf vorweisen zu können. Anderenfalls bleibt ihm meist nichts Anderes übrig, als dem Teilzeitantrag nachzukommen. Die Anforderungen wachsen zudem, je länger der Arbeitsplatz tatsächlich geteilt ist. Bei einer Dauer von zwei Jahren oder gar länger wird es für den Arbeitgeber schwierig, noch überzeugende betriebliche Gründe darzulegen.

RAin und FAin für Arbeitsrecht Astrid Krüger, Schulte Riesenkampff Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main

Redaktion (allg.)

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