Schadensersatz nach Aufhebungsvertrag

Ein nach §§ 249 ff. BGB ersatzfähiger Vermögensschaden wegen Verletzung ausnahmsweise bestehender Aufklärungspflichten des Arbeitgebers bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder wegen Erteilung falscher Auskünfte liegt noch nicht vor, wenn der Sperrzeitbescheid der Bundesagentur für Arbeit von dem Arbeitnehmer angegriffen worden ist und noch keine rechtskräftige Entscheidung vorliegt.

LAG Hamm, Urteil vom 7. Juni 2005 - 19 (2) Sa 30/05 §§ 241 Abs. 2, 254 BGB

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Bild: Erwin-Wodicka / stock.adobe.com
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Problempunkt

Die Beklagte, bei der der Kläger als kaufmännischer Angestellter seit 2001 beschäftigt war, geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten, weshalb sie mit dem Mitarbeiter seit Ende Oktober 2003 mehrere Gespräche wegen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führte. Gegenstand waren auch die Auswirkungen einer einvernehmlichen Beendigung auf den Arbeitslosengeldbezug. Am 30.11.2003 wurde ein Aufhebungsvertrag geschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2003 gegen Zahlung einer Abfindung endete. Deshalb verhängte die Bundesagentur eine Sperrzeit vom 1.1. bis zum 24.3.2004, wogegen der Kläger erfolglos Widerspruch einlegte und vor dem Sozialgericht klagte. Parallel dazu verklagte der Arbeitnehmer seine ehemalige Arbeitgeberin vor dem Arbeitsgericht auf Schadensersatz in Höhe von 1.950 ? sowie auf Feststellung einer entsprechenden Ersatzpflicht, weil er eine falsche Auskunft hinsichtlich der sozialrechtlichen Auswirkungen des Aufhebungsvertrages erhalten habe. Das Arbeitsgericht wies die Klage nach Beweisaufnahme ab.

Entscheidung

Die Berufung blieb erfolglos. Soweit der Kläger die Zahlung von Schadensersatz forderte, fehlte es bereits am tatsächlichen Vorliegen eines ersatzfähigen Schadens. Ein solcher liegt erst dann vor, wenn endgültig feststeht, dass eine Zahlung durch die Bundesagentur für Arbeit nicht erfolgen wird, d.h. das Sozialgerichtsverfahren rechtskräftig zu Ungunsten des Anspruchstellers beendet ist (LAG Hannover v. 28.3.2003 - 16 Sa 19/03).

Die Feststellungsklage ist zulässig, weil durch den negativen Behördenbescheid eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts besteht. Sie ist aber unbegründet, da nicht bewiesen wurde, dass eine Mitarbeiterin der Beklagten dem Kläger zugesichert hat, er könne bedenkenlos den Aufhebungsvertrag unterschreiben, weil sie sich zuvor bei der Bundesagentur für Arbeit erkundigt und die Auskunft erhalten habe, der Kläger werde Arbeitslosengeld erhalten. Die Mitarbeiterin habe nur mitgeteilt, dass in einem vergleichbaren Fall keine Sperrzeit verhängt wurde, so dass sie davon ausgehe, dass auch beim Kläger keine Sperrzeit zu erwarten sei. Hierbei habe es sich nur um eine Erwartung und nicht um eine Beratung bzw. verbindliche Auskunft gehandelt.

Bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages auf ausschließlichen Wunsch des Arbeitgebers und in dessen betrieblichen Interesse muss sich der Arbeitnehmer grundsätzlich selbst über die Folgen informieren. Erhöhte Aufklärungspflichten kommen nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber den Eindruck erweckt, er werde die Interessen des Mitarbeiters wahren und ihn nicht ohne ausreichende Aufklärung erheblichen Risiken aussetzen (BAG v. 22.4.2004 - 8 AZR 281/03). Vorliegend war dem Kläger das Risiko aufgrund der Gespräche bekannt; er bedurfte keiner Aufklärung über die möglichen nachteiligen Folgen mehr, sondern einer verbindlichen Auskunft, ob die konkret beabsichtigte Aufhebung zu einer Sperrzeit führen würde. Dazu hatte er auch fast einen Monat Zeit. Da er keine eigenen Erkundigungen bei rechtskundigen Personen oder der Bundesagentur eingeholt hatte, war eine Schadensersatzpflicht auch aufgrund des überwiegend eigenen Verschuldens nach § 254 BGB ausgeschlossen.

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Konsequenzen

Bei Abschluss eines Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrags droht dem Arbeitnehmer regelmäßig beim Arbeitslosengeldbezug der Eintritt einer Sperrzeit gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 SGB III sowie eine Minderung der Anspruchsdauer gem. § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III, wenn ausnahmsweise kein wichtiger Grund für die Beendigung vorliegt. Ein Arbeitgeber, der dies verschweigt oder anders lautende Auskünfte erteilt, um zu einer schnellen Einigung zu gelangen, setzt sich einem Schadensersatzrisiko sowie der Gefahr der Anfechtung des Aufhebungsvertrages wegen arglistiger Täuschung aus.

Praxistipp

#Der Arbeitgeber ist gut beraten, in sozialversicherungs- oder steuerrechtlichen Fragen keine verbindlichen Auskünfte zu erteilen, sondern an die zuständigen Behörden bzw. Fachleute zu verweisen. Er sollte dem Arbeitnehmer eine angemessene Überlegungsfrist gewähren, um sich vor Unterzeichnung dorthin zu wenden. Eine entsprechende Klausel im Aufhebungsvertrag könnte lauten: "Herr Mustermann wurde vorsorglich auf die Notwendigkeit eigener Aktivitäten bei der Suche nach einer anderen Beschäftigung, auf die Verpflichtung unverzüglicher Meldung bei der für seinen Wohnsitz zuständigen Arbeitsagentur sowie auf die Konsequenz von Ruhenszeiträumen und auf Sperrzeiten in Bezug auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung hingewiesen. Hierüber berät und entscheidet verbindlich die Arbeitsagentur. Da seitens des Arbeitgebers keine Beratung in persönlichen Sozialversicherungs- und Steuerangelegenheiten gegeben werden kann, kann ein externer Rentenberater bzw. Steuerberater in Anspruch genommen werden. Die Beratungskosten bis zu einem Gesamtbetrag von brutto ... Euro werden gegen Nachweis durch den Arbeitgeber erstattet und durch die Gehaltsabrechnung zu Lasten des Mitarbeiters versteuert."

RA Volker Stück, Stuttgart

Redaktion (allg.)

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