Ruhendes Arbeitsverhältnis bei Erwerbsminderungsrente auf Zeit

Die Anordnung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses bei Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit in § 33 Abs. 2 Satz 5 und 6 TVöD-AT ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Es liegt also kein Verstoß gegen höherrangiges Recht vor.

(Leitsatz der Bearbeiterin)

BAG, Urteil vom 17. März 2016 – 6 AZR 221/15

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Bild: Stefan-Yang / stock.adobe.com
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Problempunkt

Die Parteien stritten darüber, ob das Arbeitsverhältnis während des Bezugs einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit geruht hat. In der Praxis ergibt sich häufig Streit über die Situation des Arbeitsverhältnisses, wenn eine Erwerbsminderungsrente lediglich auf Zeit gewährt wird. So war der Fall auch hier: Eine Schulhausmeisterin in Teilzeit hatte gegen ihre Arbeitgeberin – die Stadt – geklagt. Auf ihr Arbeitsverhältnis fand der TVöD Anwendung. Die Klägerin bekam eine befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, nach Ablauf der Befristung arbeitete sie wieder vertragsgemäß. Die Stadt war der Auffassung, dass das Arbeitsverhältnis während des Bezugs dieser vorgenannten Erwerbsminderungsrente gem. § 33 Abs. 2 TVöD-AT geruht hat.

Entscheidung

Das BAG wies die Revision der Klägerin gegen das abweisende Urteil des LAG Baden-Württemberg zurück. Es bestätigte damit die Auffassung der Vorinstanzen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien für die Zeit, in der der Klägerin eine befristete Erwerbsminderungsrente gezahlt wurde, geruht hat.

Mit der Regelung in § 33 Abs. 2 Satz 5 und 6 TVöD-AT (ruhendes Arbeitsverhältnis bei Rente auf Zeit) tragen die Tarifvertragsparteien der höchstrichterlichen Rechtsprechung Rechnung, wonach eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente nur bei voraussichtlich dauerhaftem Rentenbezug in Betracht kommt. Aus diesem Grunde soll es bei Bezug einer Erwerbsminderungsrente auf Zeit auch nur Ruhen. Dies stellt ein milderes Mittel gegenüber der Beendigung dar. Es wird zwar lediglich auf eine Erwerbsminderungsrente auf Zeit abgestellt, also nicht auf die Höhe der Rente. Gleichwohl ist die Regelung nach Auffassung des BAG verfassungskonform, da der Arbeitnehmer zum einen durch die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung – zumindest teilweise – wirtschaftlich abgesichert ist, ohne dass es auf deren konkrete Höhe ankommt.

Zum anderen haben die Tarifvertragsparteien ein für diese Regelung erforderliches und verfassungsrechtlich gebotenes Korrektiv in § 33 Abs.3 TVöD-AT geschaffen, indem sie einen Weiterbeschäftigungsanspruch normiert haben, den der Arbeitgeber nur ablehnen darf, wenn der Weiterbeschäftigung zwingende Gründe entgegenstehen. Dem Mitarbeiter wird so ermöglicht, sein Einkommen bei Rente wegen nur teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit durch den Einsatz des verbliebenen Leistungsvermögens im bestehenden Arbeitsverhältnis zu erhöhen. Dadurch ist die generelle Ruhensanordnung in § 33 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6 TVöD-AT gerechtfertigt.

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Konsequenzen

Die Entscheidung des BAG bestätigt die Anordnung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses bei teilweiser Erwerbsminderungsrente auf Zeit – zumindest in den Fällen, in denen der TVöD-AT Anwendung findet. Der 6. Senat hat die Rechtskonformität der Regelung in § 33 Abs. 2 Satz 5 und 6 TVöD-AT klar anerkannt. Insofern können Unternehmen in einem solchen Falle auf § 33 TVöD-AT Bezug nehmen und das Ruhen des Arbeitsverhältnisses anordnen.

Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer dabei nicht auf die Möglichkeit eines Weiterbeschäftigungsantrags sowie die vorgesehene Form und Frist hinweisen. Nach Auffassung des BAG ist es dem Beschäftigten zuzumuten, sich über den Tarifvertrag, dem er unterfällt, zu unterrichten – ähnlich wie bei tariflichen Ausschlussfristen. Sofern das Unternehmen aber von der Möglichkeit der Weiterbeschäftigung Gebrauch machen will und rechtzeitig einen Antrag stellt, sind folgende

Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

  • Der Arbeitgeber darf die Weiterbeschäftigung nur ablehnen, wenn ihr dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.
  • Er muss das Bestehen von Beschäftigungsmöglichkeiten auf einem freien Arbeitsplatz prüfen, die dem verbliebenen Leistungsvermögen des Arbeitnehmers entsprechen.

Praxistipp

Das Arbeitsverhältnis mit Mitarbeitern, die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit beziehen, kann für diesen Zeitraum ruhen, zumindest im Anwendungsbereich des TVöD. Beachtet werden muss allerdings, dass das Arbeitsverhältnis nicht automatisch ruht, wenn eine Rente wegen Erwerbsminderung im Raume steht. Insofern sollten Arbeitgeber in einem solchen Falle immer prüfen, ob die entsprechenden Voraussetzungen für das Ruhen eines Arbeitsverhältnisses vorliegen oder nicht. Im Übrigen ist zu beachten, dass das Unternehmen im Falle des Antrags des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung bei Bezug einer befristeten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten prüfen muss, da es diese nur aus dringenden betrieblichen Gründen ablehnen darf. Hinweisen muss der Arbeitgeber den Beschäftigten auf die Möglichkeit des Antrags auf Weiterbeschäftigung allerdings nicht.

RAin Verena Weiss-Bölz, RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Heidelberg

Redaktion (allg.)

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