Kündigungsschutzklage hemmt nicht die Verjährung von Zahlungsansprüchen

1. Die Verjährung der Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers wegen Annahmeverzugs wird nicht durch die Erhebung einer Kündigungsschutzklage gehemmt.

2. Die Rechtsprechung zur Wahrung tariflicher Ausschlussfristen durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage kann nicht auf die in § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB geregelte Hemmung der Verjährung übertragen werden.
(Leitsätze des Bearbeiters)

BAG, Urteil vom 24. Juni 2015 – 5 AZR 509/13

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Bild: Семен-Саливанчук / stock.adobe.com
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Problempunkt

Die Parteien stritten über Vergütung wegen Annahmeverzugs. Der seit 1990 beim beklagten Landkreis beschäftigte Kläger wurde am 29.3.2003 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2004 gekündigt. Mit der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage obsiegte er mit Urteil des LAG Hessen vom 9.2.2007. Der Kläger trat bereits am 15.9.2004 ein neues Arbeitsverhältnis an. Das zwischen den Parteien bestehende endete am 31.12.2004.

Der Arbeitgeber erstattete der Bundesagentur für Arbeit nach der verlorenen Kündigungsschutzklage das dem Kläger gewährte Arbeitslosengeld und führte die Sozialversicherungsbeiträge ab. An den Kläger zahlte er nichts. Dieser erhob am 10.10.2008 Klage vor dem ArbG Wiesbaden und verlangte Zahlung wegen Annahmeverzugs für den Zeitraum vom 1.10.2003 bis zum 14.9.2004. Der Beklagte berief sich auf die Einrede der Verjährung. Der Kläger meinte, mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage sei die Verjährung der streitgegenständlichen Ansprüche nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt gewesen.

Entscheidung

Nachdem der Kläger schon in den Vorinstanzen unterlegen war, blieb auch seine Revision vor dem BAG ohne Erfolg. Ihm stand für den streitbefangenen Zeitraum keine Vergütung wegen Annahmeverzugs gegen den Arbeitgeber zu, da mögliche Ansprüche verjährt waren. Der Lauf der Verjährungsfrist für die Ansprüche aus 2003 begann am 31.12.2003, für die aus 2004 am 31.12.2004. Sie endete für die Ansprüche aus dem Jahr 2003 mit Ablauf des Jahres 2006 und für diejenigen aus dem Jahr 2004 mit Ablauf des Jahres 2007. Demnach war die Verjährungsfrist bei der Erhebung der Klage im Jahr 2008 bereits abgelaufen. Die Verjährung wurde nicht durch die eingeleitete Kündigungsschutzklage gehemmt. Diese befasste sich „nur“ mit der (Vor) Frage der Wirksamkeit der Kündigung und damit dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, umfasste jedoch nicht die Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers.

Der Mitarbeiter konnte sich auch nicht auf eine Unzumutbarkeit der Klageerhebung wegen des ungewissen Ausgangs des Kündigungsschutzverfahrens berufen (BAG, Urt. v. 24.9.2014 – 5 AZR 593/12, BAGE 149, S. 169).

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Konsequenzen

Ist ein Anspruch verjährt, ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers unterliegen der Regelverjährung von drei Jahren (§ 195 BGB). Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und für den Arbeitnehmer i. S. d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erkennbar ist. Die Entstehung bedingt die Fälligkeit des Anspruchs (BAG, Urt. v. 23.10.2013 – 5 AZR 135/12), die sich beim Annahmeverzugslohn nach den gleichen Regeln wie beim Lohnanspruch bestimmt. Sind keine abweichenden (tarif)vertraglichen Bestimmungen einschlägig, gilt § 614 BGB.

Droht der Verjährungseintritt, kann der Gläubiger eine Hemmung durch Rechtsverfolgung erreichen, indem er eine Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs erhebt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Eine solche Klage auf Feststellung setzt aber schon nach dem Wortlaut des Gesetzes voraus, dass Streitgegenstand der „Anspruch“ sein muss und nicht nur über eine Vorfrage gestritten wird. Eine Kündigungsschutzklage erfüllt diese Voraussetzung nicht, da nach ihrem Streitgegenstand nicht über Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, sondern über den Fortbestanddes Arbeitsverhältnisses als eine für das Bestehen von Vergütungsansprüchen wegen Annahmeverzugs bedeutsame Vorfrage gestritten wird (BAG v. 24.9.2014, a. a. O.). Eine Auslegung bzw. Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB über seinen Wortlaut hinaus kommt nicht in Betracht, sondern widerspräche dem Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG).

Praxistipp

Nach der Rechtsprechung des BAG wahrt ein Arbeitnehmer mit einer Bestandsschutzklage beide Stufen einer zweistufigen Ausschlussfrist für alle vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedarf (Urt. v. 19.9.2012 – 5 AZR 627/11, BAGE 143, S. 119). Der 5. Senat stellt jedoch klar, dass diese für tarifliche Ausschlussfristen geltenden Grundsätze nicht auf die in § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB geregelte Hemmung der Verjährung zu übertragen sind. Der Unterschied liegt darin, dass eine solche Ausschlussklausel eine – irgendwie geartete – gerichtliche Geltendmachung ausreichen lässt, während § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB dem Wortlaut nach zwingend die Erhebung einer Klage mit dem Streitgegenstand „Vergütung“ voraussetzt.

In der Praxis ist der einfachste Weg, den Verjährungseintritt zu vermeiden, den Schuldner unter Klageandrohung zur Abgabe eines – regelmäßig zeitlich befristeteten – Einredeverzichts aufzufordern. Ein solcher Verzicht beeinflusst zwar nicht den Ablauf der Verjährung, schließt jedoch die Befugnis des Schuldners für den genannten Zeitraum aus, die Verjährungseinrede zu erheben (BGH, Urt. v. 7.5.2014 – XII ZB 141/13, NJW-RR 2015, S. 772). Gelingt dies nicht, kann eine Hemmung bei Zahlungsansprüchen nur durch gerichtliche Geltendmachung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1, 3 BGB erfolgen. Ein solches Verfahren wird regelmäßig bis zur Entscheidung über den Kündigungsrechtsstreit ausgesetzt (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 148 ZPO). Allerdings ist dann § 204 BGB Abs. 2 Satz 2 BGB zu beachten, wonach die Hemmung bei Nichtbetreiben des Verfahrens sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung endet.

RA und Notar Dr. Ralf Laws LL.M. M.M., FA für Arbeitsrecht und Steuerrecht, Fachberater für Unternehmensnachfolge, Brilon

Redaktion (allg.)

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