Problempunkt
Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte und Annahmeverzugsansprüche. Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 8.11.2004 als Kraftfahrer beschäftigt. Die Beklagte sprach ihm gegenüber nach vorheriger Abmahnung mit Schreiben vom 1.3.2005 eine fristlose Kündigung wegen Arbeitsverweigerung aus.
Hiergegen erhob der Kläger am 31.3.2005 Kündigungsschutzklage. Außerdem verlangte er seine Vergütung für März 2005. Die Beklagte berief sich auf Verfristung, da der Kraftfahrer die Klage erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist erhoben hatte. Sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch dem Landesarbeitsgericht blieb der Kläger erfolglos.
Entscheidung
Auch in der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) unterlag der Kläger. Das Gericht erachtete die außerordentliche Kündigung vom 1.3.2005 gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 7 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) als wirksam, weil der Kläger erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG am 31.3.2005 Klage erhoben hatte. Ob tatsächlich ein Kündigungsgrund vorlag, bedurfte deshalb keiner Prüfung mehr. Damit stand dem Kläger auch kein Anspruch auf Vergütung für März 2005 wegen Annahmeverzugs zu.
Will der Arbeitnehmer geltend machen, seine Kündigung sei sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam, muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang Klage beim Arbeitsgericht erheben. Dies ergibt sich aus der Neufassung des § 4 Satz 2 KSchG, die seit dem 1.1.2004 in Kraft ist. Reicht er die Klage zu spät ein, gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam (§ 7 KSchG).
Diese Folge tritt auch ein, wenn es sich um eine Kündigung handelt, die der Arbeitgeber innerhalb der sechsmonatigen Wartefrist (§ 1 Abs. 1 KSchG) ausgesprochen hat. Auf den Ablauf der Wartezeit kommt es nicht - mehr - an. Vielmehr muss der Mitarbeiter nach dem weiten Wortlaut der jetzigen Fassung des § 4 Satz 1 KSchG sämtliche Unwirksamkeitsgründe innerhalb der Drei-Wochen-Frist geltend machen - und nicht wie früher nur die mangelnde soziale Rechtfertigung nach dem KSchG. Nur diese Auslegung entspricht dem Zweck der Neuregelung des § 4 Satz 1 KSchG, der nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist Klarheit darüber herbeiführen will, ob die Kündigung wirksam ist oder nicht.
Die Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG gilt auch für die innerhalb der Wartezeit ausgesprochene außerordentliche Kündigung. Das BAG hat zwar für die vorherige Gesetzesfassung die Auffassung vertreten, aus § 1 Abs. 1 und § 14 KSchG ergebe sich, dass der 1. Abschnitt des KSchG nicht für Angestellte in leitender Stellung sowie Arbeitnehmer, die noch keine sechs Monate beschäftigt sind, gelte (BAG, Urt. v. 17.8.1972 - 2 AZR 415/71, BAGE 24, S. 401). Diese Rechtsprechung ist aber durch die gesetzliche Neufassung überholt. Zum einen verweist § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG für die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung ohne Einschränkungen auf § 4 Satz 1 und die §§ 5 bis 7 KSchG. Zum anderen nimmt § 14 Abs. 1 KSchG die dort genannten Personen zwar - immer noch - ausdrücklich aus dem Geltungsbereich aus, § 1 Abs. 1 KSchG bezieht die Wartefrist aber nur auf die soziale Rechtfertigung nach dem KSchG - und damit gerade nicht auf andere Unwirksamkeitsgründe.
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Konsequenzen
Die Änderung bzw. besser gesagt klarstellende Anpassung der Rechtsprechung des BAG an die Neufassung des § 4 Abs. 1 KSchG ist zu begrüßen. Die Richter hatten sie im Übrigen schon in ihrem Urteil vom 9.2.2006 (6 AZR 283/05) ausdrücklich angekündigt. Ziel der Änderung ist es, die Wirksamkeit von Kündigungen schnell zu klären. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob der allgemeine Kündigungsschutz auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet oder nicht. Der Zweck der schnellen Klärung wird vielmehr nur erreicht, wenn die Fristenregelung ausnahmslos alle Kündigungen erfasst.
Dabei weist das BAG zu Recht darauf hin, dass es keinen Grund gibt, Arbeitnehmer, die die Wartezeit noch nicht erfüllt haben, von diesem Erfordernis auszunehmen. Andernfalls verkehrte sich der Sinn der Vorschrift ins Gegenteil. Die Arbeitnehmer wären nach Ablauf der Wartezeit gezwungen, innerhalb der Drei-Wochen-Frist gegen eine Kündigung zu klagen, während sie vor Ablauf der Wartezeit - bis zur Grenze der Verwirkung (§ 242 BGB) - gar keine Frist zu beachten hätten. Für eine solche unterschiedliche Behandlung ist kein sachlicher Grund ersichtlich.
Praxistipp
Arbeitnehmer können nur einen einzigen Unwirksamkeitsgrund außerhalb der Drei-Wochen-Frist geltend machen, nämlich den der mangelnden Schriftform. Das hat seinen Grund darin, dass § 4 Satz 1 KSchG nur für schriftliche Kündigungen gilt (BAG, Urt. v. 9.2.2006 - 6 AZR 283/05; vgl. auch Laws, AuA 11/04, S. 50 f.).
RA und Notar Dr. Ralf Laws, Fachanwalt für Arbeitsrecht und für Steuerrecht, Brilon
Redaktion (allg.)
· Artikel im Heft ·
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