Problempunkt
Die Parteien stritten über weiter gehende Urlaubsabgeltungsansprüche.
Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten begann am 1.7.2013 und endete am 2.1.2014. Der Kläger war als Diensthundeführer BW-Bereich in einer Sechstagewoche bei der Beklagten beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag fand der MTV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 8.12.2005 Anwendung. Danach beträgt der jährliche Urlaubsanspruch 26 Werktage. Der MTV sieht weiter vor, dass neu eintretende und/oder ausscheidende Arbeitnehmer so viel Zwölftel des ihnen zustehenden Jahresurlaubs erhalten, wie sie volle Monate im laufenden Kalenderjahr beschäftigt waren. Eine Zwölftelung soll nach dem MTV nur in den Grenzen des § 5 BUrlG erfolgen.
Während der Beschäftigung hatte der Kläger keinen Urlaub. Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses erhielt er von der Beklagten Urlaubsabgeltung für 13 Urlaubstage i. H. v. 1.170,39 Euro brutto. Mit seiner Klage machte der Kläger die Abgeltung von 13 weiteren Urlaubstagen geltend. Er war der Auffassung, dass im Jahr 2013 der volle Urlaubsanspruch entstanden sei.
Das ArbG Rheine hatte der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hatte das LAG Hamm die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Entscheidung
Die dagegen gerichtete Revision blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Nach dem 9. Senat steht dem Kläger kein weiter gehender Anspruch auf Urlaubsabgeltung gegen die Beklagte aus § 7 Abs. 4 BUrlG i. V. m. dem MTV zu.
Die Erfurter Richter entschieden, dass der Kläger im Jahr 2013 keinen vollen Urlaubsanspruch, sondern nur einen Teilurlaubsanspruch gem. § 5 Abs. 1 Buchst. a BUrlG erworben hatte. Danach standen ihm nur so viele Zwölftel des ihm zustehenden Jahresurlaubs zu, wie er volle Monate im laufenden Kalenderjahr beschäftigt war. Da der Kläger in 2013 nur sechs volle Monate beschäftigt war, entstanden lediglich 13 tarifliche Urlaubstage.
Nach Ansicht des BAG hatte das LAG Hamm zu Recht auf § 4 BUrlG als maßgebende Norm abgestellt. Mit dessen Formulierung „nach sechsmonatigem Bestehen“ wird deutlich, dass ein voller Urlaubsanspruch erst erworben wird, wenn das Arbeitsverhältnis mehr als sechs Monate bestanden hat. Ablauf der Wartezeit und das Entstehen des Vollurlaubsanspruchs fallen somit nicht zusammen.
Auch nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG entsteht nur ein Teilurlaubsanspruch, wenn der Mitarbeiter nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Dies umfasst auch ein Ausscheiden mit Ablauf des 30. Juni (vgl. BAG Urt. v. 16.6.1966 – 5 AZR 521/65). Vor dem Hintergrund des Gebots, gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln (Art. 3 Abs. 1 GG), überzeugt daher die Ansicht des Klägers nicht, dass in einem Arbeitsverhältnis, das am 1. Juli begonnen hat, bereits mit Ablauf des 31. Dezembers ein Vollurlaubsanspruch entstehen soll.
Zudem ordnet § 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 BUrlG an, dass jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 24 Werktage bezahlten Erholungsurlaub hat. Die gesetzliche Regelung geht damit nicht davon aus, dass ein Beschäftigter, der bei einem Unternehmen vom 1. Januar bis zum 30. Juni und bei einem anderen Arbeitgeber vom 1. Juli bis 31. Dezember desselben Jahres beschäftigt ist, zweimal den vollen Urlaubsanspruch im Umfang von jeweils 24 Werktagen erwirbt (vgl. BAG Urt. v. 21.2.2012 – 9 AZR 487/10, AuA 3/14, S. 186).
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Konsequenzen
Das BAG hat mit seinem Urteil über den Umfang der Urlaubsansprüche bei Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum 1. Juli eines Kalenderjahres erstmals über einen in der arbeitsrechtlichen Literatur umstrittenen, in der Praxis aber relativ häufig auftretenden Sonderfall entschieden. Der nunmehr für das Urlaubsrecht zuständige 9. Senat stellt in Abgrenzung zu einem Urteil des 5. Senats vom 26.1.1967 ausdrücklich klar, dass der volle Urlaubsanspruch nicht bereits mit Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit entsteht, sondern erst „nach“ deren Ablauf. Die Begründung eines
Beschäftigungsverhältnisses am 1. Juli eines Jahres reicht daher für den Erwerb eines Vollurlaubsanspruchs nicht aus.
Praxistipp
Unternehmen können sich nach dieser Entscheidung des BAG darauf berufen, dass Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis erst am 1. Juli eines Jahres beginnt, nur einen Teilurlaubsanspruch für dieses Kalenderjahr erlangen bzw. Abgeltung für diesen geltend machen können.
Allerdings können Tarifverträge vom Gesetz abweichende günstigere Regelung für Arbeitnehmer vorsehen bzw. diese zwischen den Arbeitsvertragsparteien selbst vereinbart werden.
RA und FA für Arbeitsrecht Marco Stahn, Baker Tilly Roelfs, Frankfurt am Main
Redaktion (allg.)
· Artikel im Heft ·
Die Arbeitsvertragsparteien hatten vereinbart, dass der Mitarbeiterin zusätzlich zu 20 Arbeitstagen gesetzlichen Mindesturlaubs weitere
Fraglich in diesem Fall war, ob Urlaub aus dem Jahr 2019 im Jahr 2021 verfallen war. Im Jahr 2019 gewährte das beklagte Land der Klägerin
Problempunkt
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete zum 31.7.2017. Im Anschluss verlangte sie vom Arbeitgeber Urlaubsabgeltung für
Problempunkt
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers am 18.9.2017 fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 30.11.2017
In diesem Fall des LAG Schleswig-Holstein (Urt. v. 6.7.2021 – 2 Sa 73 öD/21, rk.) erkrankte die Klägerin ab dem 24.7.2019 dauerhaft und
Grundsätzliches
Das Arbeitsrecht ist ein fragmentiertes Rechtsgebiet, das in eine Vielzahl einzelner Gesetze und gesetzlicher