Jahressonderzahlung bei befristetem Arbeitsvertrag

Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart, dass der Arbeitnehmer eine Jahressonderzuwendung zurückzuzahlen hat, wenn er im darauf folgenden Jahr vor einem bestimmten Zeitpunkt infolge eigener Kündigung oder aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, ausscheidet, so hat der Mitarbeiter auch bei einem befristeten Arbeitsvertrag, der mit Ablauf des maßgeblichen Kalenderjahrs endet, Anspruch auf die Jahressonderzuwendung. Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Ablauf einer Befristung ist nämlich der Beendigung aufgrund eigener Kündigung keinesfalls gleichzustellen. Dies gilt selbst dann, wenn der Angestellte ein ausdrückliches Angebot des Arbeitgebers zur Fortsetzung des auslaufenden Arbeitsverhältnisses nicht angenommen hat.

(Leitsatz des Bearbeiters)

BAG, Urteil vom 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 § 14 Abs. 2 TzBfG

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Bild: WavebreakmediaMicro/stock.adobe.com
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Problempunkt

Eine Firma hatte einen Mitarbeiter befristet eingestellt. Im Arbeitsvertrag war die Möglichkeit einer Verlängerung vereinbart worden. Außerdem hatte der Arbeitgeber darin die Zahlung einer jährlichen Sonderzahlung zugesagt. Er behielt sich jedoch vor, jedes Jahr von Neuem über die Auszahlung zu entscheiden. Im Arbeitsvertrag stand darüber hinaus folgende Passage: "Der Angestellte ist verpflichtet, die Sonderzahlung zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem 30.6. des Folgejahrs aus Gründen endet, die der Angestellte zu vertreten hat oder der Angestellte aufgrund eigener Kündigung ausscheidet." Nachdem der Arbeitnehmer im vorhergehenden Jahr die Sonderzahlung anteilig erhalten hatte, teilte ihm die Firma rund zwei Monate vor Auslaufen des Vertrags mit, sie werde ihn nach Ablauf nicht verlängern. Deshalb werde sie ihm auch keine Jahressonderzuwendung für das entsprechende Jahr gewähren. Alle anderen fest angestellten Mitarbeiter erhielten dagegen diese Zahlung. Der scheidende Arbeitnehmer war hiermit nicht einverstanden und klagte gegen den Arbeitgeber auf Zahlung. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht wiesen seine Klage ab.

 

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hob die Entscheidungen auf und erkannte dem Mitarbeiter die geltend gemachte Sonderzahlung zu. Dabei betonten die Richter, dass es dem Arbeitgeber zwar grundsätzlich freisteht, ob und unter welchen konkreten Voraussetzungen er seinen Arbeitnehmern eine zusätzliche freiwillige Leistung gewährt. Hat die Firma aber selbst die abschließenden Regeln hierzu im Arbeitsvertrag gesetzt, so ist sie an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden. Nach diesem ist es dem Arbeitgeber verboten, einzelne Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage schlechter zu stellen. Durch die vom Arbeitgeber gewählte Klausel im Arbeitsvertrag hat dieser zwar deutlich gemacht, dass er mit der Sonderzahlung auch einen Anreiz zu künftiger Betriebstreue geben wollte. Ein Ausschluss des damals befristet beschäftigten Mitarbeiters von der Sonderzahlung für das abgelaufene Jahr ist sachlich jedoch nicht gerechtfertigt. Dafür hätte es einer vertraglichen Vereinbarung bedurft, dass am Auszahlungs- oder einem anderen Stichtag das zukünftige Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses feststehen muss. Möglich wäre auch eine Regelung gewesen, wonach der Anspruch auf die Sonderzahlung für das abgelaufene Jahr die Verlängerung des befristeten Anstellungsvertrags gerade voraussetzt. Beides ist nicht geschehen. Die Vertragsparteien haben vielmehr die rein zukunftsbezogenen Anspruchsvoraussetzungen für eine freiwillige Sonderzahlung im Arbeitsvertrag abschließend geregelt. Diese lagen hier vor. Da auch die übrigen Mitarbeiter eine derartige Gratifikation erhalten haben, folgt der Anspruch des Klägers aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

 

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Konsequenzen

Das BAG hat mit dieser Entscheidung deutlich gemacht, dass zwar grundsätzlich freiwillige Sonderzahlungen an konkrete Bedingungen geknüpft werden können. Der Arbeitgeber ist aber bei der Wahl der vom Mitarbeiter zu erfüllenden Anspruchsvoraussetzungen an die jeweilige im Arbeitsvertrag getroffene Wortwahl gebunden. Er kann im Nachhinein nicht einseitig andere als dort beschriebene Anspruchs- oder Rückzahlungsvoraussetzungen festlegen. Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Ablauf einer Befristung ist der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Kündigung deshalb auch nicht gleichzustellen. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer ein Angebot des Arbeitgebers zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht angenommen hat.

Praxistipp

Möchte eine Firma ihren Mitarbeitern zum Schluss eines Kalenderjahrs freiwillige Sonderzahlungen gewähren, so hat sie genau darauf zu achten, dass sie im Arbeitsvertrag sämtliche von ihr gewünschten Anspruchsvoraussetzungen und gegebenenfalls Rückzahlungsverpflichtungen exakt festlegt. Klauseln über den Ausschluss des Anspruchs sind zwar sogar dann zulässig, wenn der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf einer Bindungsfrist nicht in der Sphäre des einzelnen Mitarbeiters liegt. Da die Arbeitsgerichte den Arbeitgeber aber künftig im Streitfall genau auf den gewählten Wortlaut prüfen und daran festhalten werden, sind andere als die vertraglich vereinbarten Umstände nicht zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber kann sie daher auch nicht im Nachhinein einseitig festlegen.

RA Dr. Nils Bronhofer, München

Redaktion (allg.)

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