Problempunkt
Zur Abfederung von personellen Engpässen, konjunktureller Produktionsspitzen oder saisonbedingter Mehrarbeit stellen insbesondere befristete Arbeitszeiterhöhungen ein effektives Mittelmoderner Personalpolitik dar. In einer jüngeren Entscheidung hat das BAG nun deren rechtliche Voraussetzungen präzisiert.
Die Parteien stritten über die Rechtswirksamkeit einer befristeten Arbeitszeiterhöhung. Der Kläger war seit Anfang 1995 – zuletzt mit einem Unterrichtsdeputat von 16 Wochenstunden – bei der Beklagten als Lehrkraft für verschiedene Fächer in einem Arbeitsverhältnis angestellt. Für das Schuljahr 2011/2012 vereinbarten beide Parteien (abermals) eine zusätzliche befristete Arbeitszeiterhöhung von nunmehr 4,16 Wochenstunden aufgrund Deputatsreduzierungen anderer Lehrkräfte sowie eines Mehrbedarfs wegen der gesetzlich initiierten Umstellung von G9 auf G8. Der fortwährend vom Kläger geäußerte Wunsch nach einem unbefristeten vollen Unterrichtsdeputat von 25 Wochenstunden blieb jedoch unerfüllt – obgleich zwischenzeitlich auch immer wieder neue Lehrer durch die beklagte Arbeitgeberin eingestellt wurden. Letztlich machte der Arbeitnehmer klageweise die Unwirksamkeit der zuletzt vereinbarten Befristung zur Arbeitszeiterhöhung aufgrund einer unangemessenen Benachteiligung erfolgreich geltend. Nach Ansicht des LAG Baden-Württemberg war wegen der konkreten Umstände des Einzelfalls – aufgrund der Vielzahl sowie der Gesamtdauer vorangegangener befristeter Arbeitszeiterhöhungen während der bisherigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses – zumindest in der streitgegenständlichen Befristungsabrede eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers zu erkennen.
Entscheidung
Nach Auffassung der Erfurter Richter hatte die Vorinstanz den Rechtsstreit jedenfalls im Ergebnis zutreffend entschieden.
Wenig überraschend bestätigte das BAG damit seine Rechtsprechung im Hinblick auf die Vertragsinhaltskontrolle dergestalt, dass die Vorschriften des TzBfG auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen weder direkt noch entsprechend anwendbar sind (vgl. auch BAG, Urt. v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, AuA 2/16, S. 121). Eine Vertragsinhaltskontrolle findet insoweit entsprechend dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 305 ff. BGB statt. Mit zu begrüßender Klarheit hat das BAG zudem die Erheblichkeitsgrenze nunmehr bei einem Aufstockungsvolumen von mindestens 25 % eines entsprechenden Vollzeitarbeitsverhältnisses gezogen (offen gelassen von BAG, Urt. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, AuA 2/13, S. 120). Nicht aufgelöst wird vom 7. Senat jedoch der in der Praxis zu Unsicherheiten führende (rechtsdogmatische) Widerspruch, dass eine Vertragsinhaltskontrolle zunächst ausschließlich anhand des AGB-Rechts stattfindet, beim Überschreiten der Erheblichkeitsgrenze allerdings dann wiederum doch auf die Maßstäbe des Teilzeit- und Befristungsrechts zurückgegriffen werden soll.
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Konsequenzen
Bei befristeten Arbeitszeiterhöhungen empfiehlt sich regelmäßig ein mehrstufiges Vorgehen.
• Vorab ermittelt man, ob im Hinblick auf das Aufstockungsvolumen bzw. bei der Bestimmung der Erheblichkeitsgrenze ein entsprechendes Vollzeitarbeitsverhältnis üblicherweise eine Arbeitszeit von 40 Stunden aufweist. Denkbar ist insoweit, dass sich – bspw. bedingt durch anwendbare Regelungen aus einschlägigen Tarifverträgen – im Einzelfall etwas hiervon Abweichendes ergibt.
• Sodann prüft der Arbeitgeber, ob die befristete Arbeitszeiterhöhung eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellt. Maßstab hierfür ist – unter Berücksichtigung des zivilrechtlichen Grundsatzes von Treu und Glauben – eine umfassende Abwägung sowie Würdigung der beiderseitigen Interessen.
• Ist eine befristete Arbeitszeiterhöhung zudem als erheblich zu qualifizieren, sind zur Annahme einer nicht unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers jedenfalls solche Umstände erforderlich, die grundsätzlich die Befristung eines gesondert über das erhöhte Arbeitszeitvolumen abgeschlossenen Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen.
Von einer befristeten Arbeitszeiterhöhung ist daher abzuraten, wenn sich im Einzelfall etwaige Anhaltspunkte für eine unangemessene Benachteiligung des Mitarbeiters ergeben respektive – insbesondere beim Überschreiten der Erheblichkeitsgrenze – keine rechtfertigenden Umstände nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 TzBfG vorliegen.
Praxistipp
Auf den ersten Blick wäre eine gleichermaßen evidente sowie praktikable Lösung sicherlich darin zu erkennen, beim Aufstockungsvolumen generell knapp unterhalb der vom BAG aufgestellten Erheblichkeitsgrenze zu bleiben. Ob sich der spitzfindige Personaler hierdurch rechtssicher und dauerhaft einem nachteilhaften Verdikt erfolgreich entziehen kann, dürfte angesichts des naheliegenden Einwands eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens wohl zweifelhaft sein.
Aber auch wenn Umstände vorliegen, die eine Befristung eines gesondert über das erhöhte Arbeitszeitvolumen abgeschlossenen Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen würden, ist gleichwohl Vorsicht geboten: Eine unangemessene Benachteiligung des Beschäftigten kann sich trotz des Vorliegens rechtfertigender Umstände – entsprechend dem aus der Rechtsprechung des BAG zu sog. Kettenbefristungen anerkannten Grundsatzes des institutionellen Rechtsmissbrauchs – ggf. auch bereits alleine aufgrund der mehrfach hintereinander gereihten befristeten Arbeitszeiterhöhungen in erheblichem Umfang ergeben.
RA David Johnson, Eversheds Sutherland (Germany) LLP, München
Redaktion (allg.)
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