Besonderer Los-Kauf mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen
Problempunkt
Die Klägerin war als Bürokauffrau bei der Arbeitgeberin u. a. dafür zuständig, eingehende Rechnungen zu kontrollieren und einzuscannen. Sie war aber nicht berechtigt, den Rechnungsbetrag zu überweisen. Den Mitarbeitern war es erlaubt, die Telefonanlage zu privaten Anrufen zu nutzen, ohne diese gesondert bezahlen zu müssen. Die Arbeitnehmerin nahm in ihren Pausen mehrfach an dem Gewinnspiel „Das geheimnisvolle Geräusch“ eines Radiosenders teil, bei dem 26.000 Euro im Jackpot lagen. Dazu wählte sie eine Sonderrufnummer, die Kosten i. H. v. 0,50 Euro pro Anruf verursachte. Als die Telefonrechnung für den Monat Januar einging, scannte die Bürokauffrau diese ein. Sie wies das Unternehmen nicht auf die von ihr getätigten Anrufe hin, die mit zusätzlichen Kosten verbunden waren. Nachdem der Arbeitgeberin auf der Telefonrechnung 37 Einheiten für die Inanspruchnahme von Sonderrufnummern aufgefallen waren, sprach sie die Arbeitnehmerin darauf an. Diese erklärte, dass über einen Einzelverbindungsnachweis eine Zuweisung der Anrufe zu den konkreten Nebenstellen der Telefonanlagen möglich sei.
Am darauffolgenden Morgen suchte sie das Gespräch und räumte ein, dass sie Anrufe bei der Gewinnhotline getätigt habe und die Kosten i. H. v. 18,50 Euro erstatten werde.
Die Arbeitgeberin nahm diesen Sachverhalt zum Anlass, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Das ArbG Wesel gab der dagegen gerichteten Kündigungsschutzklage statt.
Entscheidung
Das LAG Düsseldorf stufte die außerordentliche Kündigung ebenfalls als unwirksam ein.
Die mehrfachen Anrufe bei der kostenpflichtigen Gewinnspielhotline waren danach pflichtwidrig. Zwar war das private Telefonieren im Betrieb gestattet, ohne dass diese Telefonate bezahlt werden mussten. Es gab aber keine Regelung, die den Anruf von kostenpflichtigen Sonderrufnummern betraf. Das Gericht stellte sich nicht auf den Standpunkt, dass Verhaltensweisen, die nicht ausdrücklich erlaubt wurden, unterbleiben müssen. Den Arbeitnehmern war jedoch erkennbar, dass der Anruf kostenpflichtiger Gewinnspielhotlines von der Gestattung zum privaten Telefonieren nicht umfasst war.
Die Pflichtwidrigkeit liegt – wie bei der privaten Nutzung des Internets – darin, dass eine unberechtigte Inanspruchnahme der Betriebsmittel zu zusätzlichen Kosten geführt hat. Dass kostenpflichtige Sonderrufnummern zur Teilnahme an einem Gewinnspiel von der Erlaubnis zu privaten Anrufen nicht umfasst sind, ergibt sich aus einem Vergleich der Anrufe. Anders als bei einem gewöhnlichen Anruf, der darauf hinauslaufen soll, ein Gespräch zu führen, „kauft“ sich der Anrufer bei einem Gewinnspiel mit dem Anruf – hier unter Einsatz der Mittel des Arbeitgebers – eine Gewinnchance, mit anderen Worten ein Los.
Die im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB erforderliche Interessenabwägung fiel jedoch zu Gunsten der Klägerin aus. Zwar war sie erst kurze Zeit bei der Arbeitgeberin beschäftigt gewesen, aber die Pflichtverletzung wirkte nicht so schwer, dass eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich war. Dadurch, dass das Unternehmen das konkrete Maß der erlaubten Telefonnutzung nicht eindeutig präzisiert hatte, konnte nicht von einem vorsätzlichen und beharrlichen Verstoß ausgegangen werden. Auch eine Verheimlichungsabsicht war nicht zu erkennen, denn möglicherweise hat sich die Arbeitnehmerin nicht an die Anrufe erinnert. Dafür spricht nach Ansicht der Düsseldorfer Richter auch, dass sie auf die Möglichkeit verwiesen hatte, Einzelverbindungsnachweise einzuholen.
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Konsequenzen
Während sich die Arbeitsgerichte in den letzten Jahren hauptsächlich mit der Privatnutzung des Internets während der Arbeitszeit in vielfältigen Erscheinungsformen beschäftigen mussten, ging es im vorliegenden Fall um das klassische Kommunikationsmittel Telefon. Zur Lösung bezieht sich das Gericht auf die Rechtsprechung zur privaten Nutzung des Internets. Das erscheint als überflüssiger argumentativer Umweg, da die Rechtsprechung zum „neuen“ Medium Internet nicht benötigt wird, wenn es um das „klassische“ Medium Telefon geht. Der Vergleich ist auch insofern problematisch, als durch die private Nutzung des Internets zwar Betriebsmittel des Arbeitgebers in Anspruch genommen werden, zusätzliche Kosten entstehen dabei aber i. d. R. nicht.
Trotzdem kann die Entscheidung auch für eine Parallel-Problematik im Rahmen der Internetnutzung Präjudiz-Charakter haben. Ein Arbeitnehmer könnte bspw. dienstlich mit einem Tablet arbeiten und die Erlaubnis haben, zu dienstlichen Zwecken kostenpflichtige Anwendungen zu erwerben. Sollte dem Beschäftigten zugleich das private Surfen im Internet mittels Tablet erlaubt sein, so kann er dennoch nicht davon ausgehen, dass er in diesem Rahmen kostenpflichtige Anwendungen zulasten des Arbeitgebers erwerben darf. In Anwendung der Entscheidung des LAG Düsseldorf ist dann davon auszugehen, dass von der Gestattung nur die private Internetnutzung umfasst sein soll, die aufgrund der Flatrate mit keinerlei zusätzlichen Kosten verbunden ist.
Praxistipp
Das Gericht weist auch auf einen Umstand hin, der für die Praxis von Bedeutung ist: Das Unternehmen hatte für den Anruf kostenpflichtiger Sonderrufnummern keine Regelung getroffen. Solche Anrufe waren „weder ausdrücklich verboten noch ausdrücklich erlaubt“. Dieser Umstand wurde in der Interessenabwägung zu Gunsten der Arbeitnehmerin berücksichtigt.
In der Praxis sollte man also darauf achten, Mediennutzungen mit Kostenfolgen im Betrieb nicht im Zustand des „weder ausdrücklich verboten noch ausdrücklich erlaubt“ zu belassen, sondern eine Regelung dazu aufstellen.
Dipl.-Jur. Marie Herberger, Blieskastel
Redaktion (allg.)
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