Befristung einzelner Vertragsregelungen

Vereinbart ein öffentlicher Arbeitgeber mit zahlreichen teilzeitbeschäftigten Lehrkräften nach dem 31.12.2001 formularmäßig die befristete Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit für die Dauer eines Schuljahres, unterliegt die Befristung als Allgemeine Geschäftsbedingung der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

BAG, Urteil vom 27. Juli 2005 - 7 AZR 486/04 §§ 305 ff. BGB

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Bild: AlcelVision/stock.adobe.com
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Problempunkt

Die Klägerin ist seit 1972 bei dem beklagten Land als Lehrerin tätig, und zwar seit 1992 als nicht vollbeschäftigte Angestellte mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 22/27 Pflichtstunden. 1995 traf das Land mit Gewerkschaften und Berufsverbänden eine "Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung im Schulbereich" u.a. über den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und eine Verpflichtung, bei Bedarf teilzeitbeschäftigten Lehrern bevorzugt unbefristete Vollarbeitsverträge anzubieten. Ende 1995 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag über die Erhöhung des Beschäftigungsumfangs der Klägerin auf 60% der Vollzeit ab dem Schuljahr 1997/1998 sowie eine schuljahresbezogene befristete Erhöhung des Umfangs bei entsprechendem Bedarf. Dies wurde in der Folgezeit auch umgesetzt. Mit einem weiteren Änderungsvertrag vom Oktober 2002, der auf einem Mustervertrag für Lehrkräfte an Schulen des beklagten Landes beruhte, vereinbarten die Parteien befristet auf das Schuljahr 2002/2003 die Vollzeitbeschäftigung der Klägerin , danach sollte wieder der Änderungsvertrag von 1995 gelten. Die Befristung wurde mit einem nur vorübergehenden Bedarf begründet.

Die Lehrerin macht die Unwirksamkeit der im Oktober 2002 vereinbarten Befristung mangels sachlichen Grundes geltend. Nach Klagerhebung hat sie unter Vorbehalt eine weitere befristete Erhöhung der Arbeitszeit für das Schuljahr 2003/2004 akzeptiert.

Entscheidung

Das BAG hat die Befristung der Arbeitszeiterhöhung aus Oktober 2002 als wirksam angesehen und die Klage abgewiesen. Auf diese Regelung ist dem Senat zufolge nicht die Rechtsprechung zur Befristung einzelner Arbeitsbedingungen vor In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes anzuwenden, sondern allein die allgemeine zivilrechtliche (Inhalts-)Kontrolle nach §§ 305ff. BGB. Denn die Bestimmung ist in einem für eine Vielzahl von Lehrkräften verwendeten Formularvertrag vereinbart worden und daher eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB. Dass das Arbeitsverhältnis bereits vor dem 1.1.2002 bestand, ist unerheblich, da die Änderung über die Befristung erst im Oktober 2002 vereinbart wurde.

Nach Auffassung der Richter wird die Mitarbeiterin durch die befristete Arbeitszeiterhöhung für ein Schuljahr nicht entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Eine solche Benachteiligung läge nach der Rechtsprechung des BAG vor, wenn rechtlich anerkannte Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt würden, ohne dass dies durch begründete Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist (Urt. v. 4.3.2004 - 8 AZR 196/03, AuA 4/04, S. 45f.) , hierbei ist eine umfassende wechselseitige Interessenabwägung vorzunehmen. Das BAG bejaht ein entsprechendes Interesse der Lehrerin an der unbefristeten Vereinbarung ihres Arbeitsumfangs hinsichtlich der Sicherung eines dauerhaften Auskommens und der Möglichkeit längerfristiger Lebensplanung , dieses Interesse sieht es durch die vorliegende Gestaltung einer zeitlich unbegrenzten Teilzeitbeschäftigung und der unterschiedlichen Aufstockung der Arbeitszeit allein nach Maßgaben des Arbeitgebers als beeinträchtigt an. Die Benachteiligung hält der Senat jedoch aufgrund von billigenswerten Interessen des beklagten Landes für gerechtfertigt. Zwar reiche dessen Ungewissheit über den zukünftigen Arbeitskräftebedarf allein nicht aus, die Befristung der Arbeitszeiterhöhung zu rechtfertigen, da dies ein unternehmerisches Risiko ist, das nicht auf die Mitarbeiter verlagert werden kann. Die Rechtfertigung ergibt sich jedoch aus den Besonderheiten im Schulbereich des beklagten Landes und seinem Versorgungsauftrag für schulpflichtige Personen. Infolge sinkender Schülerzahlen ist der Beschäftigungsbedarf für Lehrkräfte vorübergehend rückläufig , da der Bedarf allein von der Schülermenge abhängt, hat das Land keine Möglichkeit, ihn zu beeinflussen. Auf den Lehrkräfteüberhang hat die Beklagte nicht mit betriebsbedingten Kündigungen, sondern mit der Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung von 1995 reagiert, die zumindest eine 60%ige Arbeitszeit gewährleistet. Dies liegt im Interesse der betroffenen Pädagogen, da hierdurch die Verteilung des Beschäftigungsvolumens auf sie ermöglicht und betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden. Außerdem wird eine Kontinuität des Unterrichts gewährleistet, die nicht gegeben wäre, wenn das Land ständig Lehrkräfte einstellen bzw. entlassen muss.

 

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Konsequenzen

Das BAG behandelt erneut die Beurteilung formularmäßiger arbeitsvertraglicher Regelungen nach den §§ 305 ff. BGB. Das Urteil enthält Hinweise zur Abwägung der wechselseitigen Interessen der Beteiligten, auch wenn dieser Fall aufgrund seiner Besonderheiten nicht ohne weiteres auf andere Arbeitsverhältnisse übertragbar ist. Die Entscheidung enthält jedoch weitere grundsätzliche Aussagen, so z.B. zur Differenzierung zwischen der Befristung eines Arbeitsvertrags insgesamt und der einzelnen Regelungen. Während Erstere der Kontrolle nach § 17 TzBfG unterliegt, ist die Befristung einzelner Regelungen anhand der §§ 305 ff. BGB zu überprüfen. Das BAG stellt klar, dass die frühere Rechtsprechung zu befristeten Einzelregelungen für Verträge nach dem 1.1.2002 nicht gilt, da sie auf dem Ausschluss des Arbeitsrechts aus dem Anwendungsbereich des ehemaligen AGBG beruhte. Die Beibehaltung der früheren Grundsätze würde der Gesetzesänderung zuwiderlaufen, die auch zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten eine Anpassung des Schutzniveaus im Arbeitsrecht an das Zivilrecht bezweckt. Des weiteren macht der Senat deutlich, dass durch entsprechende Vorbehalte in späteren Vertragsänderungen die Möglichkeit besteht, die arbeitsgerichtliche Überprüfbarkeit vorausgegangener Befristungen offen zu halten , normalerweise können die Gerichte nur die zeitlich letzte Befristung überprüfen.

Praxistipp

Entgegen der vom BAG angesprochenen Verbesserung der Rechtssicherheit dürfte die Änderung der Rechtslage zunächst zu erhöhter Unsicherheit bei der Befristung von Einzelbedingungen führen, da eben nicht mehr die alte Rechtsprechung zu dieser Thematik maßgeblich ist, sondern unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts eine Parallele zu entsprechenden zivilrechtlichen Regelungen zu ziehen ist. Anhand der grundsätzlichen Aussagen des BAG in diesem Urteil wird ein Arbeitgeber daher bis zur weitergehenden Klärung der Voraussetzungen sehr sorgfältig prüfen müssen, ob eine beabsichtigte Befristung einzelner Vertragsregelungen bei Abwägung der wechselseitigen Interessen tatsächlich gerechtfertigt ist.

RA Dr. Werner Holtkamp, Rechtsanwälte Godefroid & Pielorz, Düsseldorf

Redaktion (allg.)

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