Arbeitnehmerschutz bei Insolvenz des Arbeitgebers

Haben Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber zahlungsunfähig geworden ist, ihre Tätigkeit in einem Mitgliedstaat in einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft ausgeübt, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründet wurde, in dem sie ihren Sitz hat und in dem das Insolvenzverfahren über sie eröffnet wurde, so ist nach Art. 3 Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers für die Befriedigung der Ansprüche dieser Arbeitnehmer zuständige Garantieeinrichtung die Einrichtung des Staates, in dem die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit ausgeübt haben.

EuGH, Urteil vom 16. Dezember 1999 - Rs. C-198/98 (G. Everson, T. J. Barras/Secretary for Trade und Industryy, Bell Lines Ltd)

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Bild: Erwin-Wodicka / stock.adobe.com
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Problempunkt

"Das Industrial Tribunal Bristol hat dem EuGH gemäß Art. 177 EGV eine Frage nach der Auslegung von Art. 3 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates v. 20.10.1980 (AB EG Nr. L 283, S. 23) vorgelegt. Dem Rechtsstreit lag der Fall zugrunde, dass ein Arbeitnehmer, der bei einer rechtlich unselbständigen Zweigniederlassung im Vereinigten Königreich einer Gesellschaft irischen Rechts mit Sitz in Dublin beschäftigt war, Insolvenzleistungen von der zuständigen Stelle im Vereinigten Königreich wegen Insolvenz des Arbeitgebers beanspruchte. Der Streit wurde deshalb problematisch, weil das Recht des Vereinigten Königreichs nicht klar regelt, welche Garantieeinrichtung (d. h. welchen Staates) zuständig war. Die Garantieeinrichtung des Vereinigten Königreichs stellte sich auf den Standpunkt, wegen des Sitzes der Gesellschaft und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Irland müssten die dortigen Garantieeinrichtungen zahlen.

Entscheidung

Nach der Richtlinie 80/987/EWG soll die Befriedigung nichterfüllter Ansprüche, die vor einem bestimmten Zeitpunkt entstanden sind, durch die Schaffung von Garantieeinrichtungen sichergestellt werden (Art. 3). In Deutschland geschieht dies durch das Insolvenzgeld (§§ 183ff. SGB III - früher: ""Konkursausfallgeld"", allgemein dazu: Lakies, NZA 2000, S. 565).

Anders als für den Fall, dass der Arbeitgeber nur in einem einzigen Mitgliedsstaat ansässig ist und dort das Insolvenzverfahren eröffnet wird (dann kommt immer die Garantieeinrichtung dieses Mitgliedstaates in Betracht, EuGH, Urt. v. 17.9.1997 - Rs. C-117/96, [Mosbaeck]), verhält sich die Richtlinie nicht zu Fällen wie dem vorliegenden (Niederlassung auch in einem anderen Mitgliedstaat als dem Sitzstaat, dort auch Arbeitnehmer beschäftigt). Der EuGH stellte bei seiner Entscheidung auf den Schutzzweck der Richtlinie 80/987/EWG ab. Danach soll der Arbeitnehmer im Falle der Insolvenz seines Arbeitgebers einen bestimmten Mindestschutz haben. Dieser Zweck wäre gefährdet, wenn der Arbeitnehmer die Garantieleistungen in einem anderen Staat, außerhalb seiner ihm vertrauten ""sozialen und sprachlichen Umgebung"" beantragen müsste. Es komme deshalb auf den Ort der Tätigkeit des Arbeitnehmers an."

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Konsequenzen

Praxistipp

"Die Luxembuger Richter sehen mit ihrem Urteil keinen Widerspruch zur Entscheidung Mosbaeck (NZA 1997, S. 1155). Der Arbeitgeber in dem dort zugrundeliegenden Fall hatte keine Niederlassung in dem Mitgliedsstaat, in dem der betreffende Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübte. In einem solchen Fall kommt es daher ""in erster Linie"" auf den Ort an, wo das Konkursverfahren läuft."

RiLG Dr. Jens Peglau, Herdecke/Berlin

Redaktion (allg.)

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