Abgelehntes Verlangen nach Teilzeitbeschäftigung

1. Der Arbeitgeber kann nach § 8 Abs. 4 TzBfG die Zustimmung zu einem Verringerungsverlangen verweigern, wenn betriebliche Gründe entgegenstehen.

2. Ein solches Verweigerungsrecht besteht, wenn die gewünschte Arbeitszeitreduzierung eine erhebliche Störung des im Betrieb praktizierten Arbeitszeitsystems bewirkt, weil der Arbeitgeber entweder den Arbeitnehmer, der den Teilzeitwunsch äußert, oder andere mittelbar betroffene Mitarbeiter nicht mit ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit einsetzen kann.

3. Diese Störung ist schon deshalb erheblich, weil der Arbeitgeber seiner Beschäftigungspflicht nicht in vollem Umfang nachkommen kann und infolgedessen u.a. Annahmeverzugsansprüche entstehen können.

BAG, Urteil vom 13. November 2007 – 9 AZR 36/07

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Bild: Erwin-Wodicka / stock.adobe.com
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Problempunkt

Das BAG hatte darüber zu entscheiden, ob der Arbeitgeber das Verlangen einer Arbeitnehmerin nach einer Teilzeitbeschäftigung berechtigterweise abgelehnt hat. Entscheidend war dabei die Frage, ob dem Verringerungsverlangen betriebliche Gründe entgegenstanden.

Nach § 8 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) hat der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitzeit zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Das Gesetz selbst nennt beispielhaft die Verursachung unverhältnismäßiger Kosten sowie eine wesentliche Beeinträchtigung der Organisation, der Arbeitsabläufe oder der Sicherheit im Betrieb.

Im zugrunde liegenden Fall war die tarifgebundene Klägerin auf der Basis eines tariflichen Teilzeitmodells als Flugbegleiterin tätig. Ihre Arbeitszeit betrug zunächst 46,67% der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten. Aufgrund dieser Quote konnte sie monatlich nur einen vollen Flugumlauf (Einsatz vom Abflug bis zum Rückflug) absolvieren. Für einen weiteren Umlauf stand sie erst am Monatsende bei Übergang in den neuen Monat wieder zur Verfügung. Nach einer Änderung des tariflichen Teilzeitmodells betrug ihre Arbeitszeit dann zuletzt 51,09% der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft. Nach den Feststellungen der Vorinstanz ermöglichte dies zwei volle Flugumläufe pro Monat. Die neue tarifliche Regelung sah jedoch auch vor, dass Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen nach dem bisherigen Teilzeitmodell (46,67% der Arbeitszeit) arbeiten können. Solche Ausnahmefälle sollten bei der Betreuung pflegebedürftiger Kinder, Elternteile oder Ehegatten möglich sein. Die Tarifvertragsparteien gingen selbst davon aus, dass entsprechende Gründe bei nicht mehr als 10% der Altverträge zum Tragen kommen. Die Beklagte bewilligte mehrere solcher Ausnahmeanträge, schöpfte die vorgesehene Quote jedoch nicht aus. Den Antrag der Klägerin, den diese unter Hinweis auf ihre familiäre Situation als Mutter zweier Kinder gestellt hatte, lehnte sie aus betrieblichen Gründen ab.

Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin eine Verringerung ihrer Arbeitszeit auf das Niveau des alten Teilzeitmodells. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main wies die Klage ab. Das Hessische LAG gab ihr in Bezug auf § 8 TzBfG statt. Hiergegen wendete sich die Revision der Beklagten.

Entscheidung

Das BAG hob das Berufungsurteil des LAG auf und verwies den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Es stellte zunächst fest, dass es nach der gesetzlichen Konzeption von § 8 TzBfG nicht auf die vom Arbeitnehmer für seinen Teilzeitwunsch geltend gemachten Gründe ankommt. Vielmehr hat der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Beruft er sich hierauf, ist bei gerichtlicher Überprüfung dieser Gründe ein dreistufiges Verfahren durchzuführen:

1. Stufe: Zunächst ist festzustellen, ob der Arbeitszeitregelung, die der Arbeitgeber als erforderlich ansieht, ein betriebliches Organisationskonzept zugrunde liegt und um welches es sich dabei handelt.

2. Stufe: Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, inwieweit die Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen tatsächlich entgegensteht.

3. Stufe: Im Rahmen der dritten Stufe stellt sich schließlich die Frage, ob das Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers das betriebliche Organisationskonzept oder die zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung wesentlich beeinträchtigt.

Die Vorinstanz hatte nach Ansicht des BAG die erste und zweite Prüfungsstufe zu Recht bejaht. Die Begründung zur Ablehnung der dritten Stufe sahen die Erfurter Richter dagegen nicht als ausreichend an. Das LAG hatte angenommen, dass die tarifliche 10%-Quote zwar kein tarifvertraglich festgelegter Ablehnungsgrund i.S.v. § 8 Abs. 4 Satz 3 TzBfG sei. Die fehlende Auslastung der Quote zeige aber, dass die von der Klägerin gewünschte Arbeitszeitverringerung nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der unternehmerischen Aufgabenstellung führe. Die Tarifvertragsparteien seien selbst davon ausgegangen, dass arbeitszeitrechtliche Sonderregelungen in diesem Umfang hingenommen werden müssen.

Die Begründung genügt nach Ansicht des BAG nicht, um dem Verringerungsverlangen stattzugeben. Vielmehr hätte das LAG zunächst feststellen müssen, ob die Beklagte das vorgetragene Organisationskonzept auch tatsächlich durchführt. Mit Hinweis auf die fehlende Auslastung der 10%-Quote erklärten die Richter außerdem, dass dieser Umstand zwar ein Indiz für das Fehlen einer wesentlichen Beeinträchtigung des Organisationskonzepts oder der unternehmerischen Aufgabenstellung sein kann. Die Beklagte hat jedoch die Möglichkeit, diese Vermutung mit einem detaillierten Vortrag negativer Auswirkungen zu entkräften. So liegt eine erhebliche Beeinträchtigung insbesondere vor, wenn die Arbeitgeberin wegen des Verringerungsverlangens der Klägerin anderen Arbeitnehmern zusätzliche freie Tage über das arbeits- oder tarifvertraglich geschuldete Niveau hinaus zuweisen müsste. Die Beklagte könnte in diesem Fall ihre Beschäftigungspflicht nicht erfüllen und geriete in Annahmeverzug.

Um diese Frage abschließend klären zu können, muss das LAG vor allem feststellen, auf welchen Flugrouten die Klägerin tätig ist und welche Auswirkungen ihr Einsatz im Umfang der verlangten Arbeitszeit hätte.

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Konsequenzen

Das Urteil des BAG beschreibt einmal mehr die einzelnen Prüfungsschritte bei der gerichtlichen Überprüfung betrieblicher Gründe zur Ablehnung eines Teilzeitverlangens. Das BAG stellt klar, dass sich entgegenstehende betriebliche Gründe auch daraus ergeben können, dass der Arbeitgeber durch das Teilzeitverlangen eines Arbeitnehmers andere Mitarbeiter nicht im arbeits- bzw. tarifvertraglich geschuldeten Umfang beschäftigen kann und er hierdurch in Annahmeverzug gerät.

Da ein Unternehmen nach der regelbeispielhaften Aufzählung betrieblicher Gründe in § 8 Abs. 4 Satz 3 TzBfG nur unverhältnismäßige Kosten einem Teilzeitbegehren entgegenhalten kann, dürfte indes nicht jeder Annahmeverzug gegenüber einem anderen Arbeitnehmer genügen. Erforderlich wird vielmehr sein, dass die mit dem Teilzeitwunsch einhergehende Kostenbelastung des Arbeitgebers durch den Annahmeverzug gegenüber anderen Mitarbeitern unverhältnismäßig ist.

Praxistipp

Möchte ein Arbeitgeber dem Teilzeitverlangen mit Hinweis auf entgegenstehende betriebliche Gründe widersprechen, sollte er diese stets anhand der drei Prüfungsschritte des BAG einer Vorprüfung unterziehen. Es genügt dabei nicht, wenn das Unternehmen lediglich eine andere Vorstellung von der „richtigen“ Arbeitszeitverteilung hat. Es bedarf vor allem eines betrieblichen Organisationskonzepts, das nicht nur auf dem Papier existiert, sondern auch tatsächlich durchgeführt wird, und das der Arbeitgeber im Streitfall ausreichend vor Gericht darlegen kann. Ob dieses dann dem Teilzeitverlangen entgegensteht, ist eine Frage des Einzelfalls.

RAin Britta Alscher, RA und FA für Arbeitsrecht Thomas Wahlig, Salans LLP, Berlin

Redaktion (allg.)

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