Geleitwort: Automatisierung

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 Dr. Rahild Neuburger - Forschungsstelle für Information, Organisation und Management, Ludwig-Maximilians-Universität München
Dr. Rahild Neuburger - Forschungsstelle für Information, Organisation und Management, Ludwig-Maximilians-Universität München

„Alles, was automatisiert werden kann, wird automatisiert werden“ – nicht selten werden Szenarien über die Zukunft der Arbeit mit diesem bekannten Zitat eröffnet. Dabei ist der Trend zur Automatisierung nicht unbedingt neu – im Gegenteil, die Automatisierung von Prozessen durch neue technologische Systeme ist schon seit langer Zeit anhaltend zu beobachten und hat letztlich zu einem hohen Automatisierungsgrad vor allem in der Industrie geführt. Die Diskussionen über die konkreten Auswirkungen werden dementsprechend auch schon länger geführt – man denke bspw. nur an ein Titelbild des Spiegels im Jahr 1978 „Die Computer Revolution – Fortschritt macht arbeitslos“.

Die aktuelle Automatisierungsdiskussion geht nun Einher mit der rasanten Entwicklung digitaler Technologien, wie insbesondere dem Internet der Dinge, dem Einsatz von Robotern und künstlicher Intelligenz sowie dem zunehmenden Einfluss von Algorithmen. So erleben wir gegenwärtig, wie all diese technologischen Entwicklungen nicht nur helfen, den Arbeitsalltag des Einzelnen oder die Arbeitsteilung auf unternehmerischer Ebene zu unterstützen und effizient zu gestalten. Die skizzierten Technologien sind vielmehr in der Lage, den Menschen bei immer mehr Tätigkeiten zu ersetzen. In Folge ist von Automatisierungseffekten die Rede, die in früheren Diskussionen eher weniger im Fokus standen: menschenleere, vollautomatisierte Fabriken oder Kaufhäuser; von Algorithmen verfasste journalistische Texte; intelligente Systeme, die medizinische Diagnosen durchführen; juristische Standardfälle, die von Computern bearbeitet werden; Roboter, die Pflegeaktivitäten übernehmen, oder auch Block Blockchain- Technologien, die an die Stelle von Verträgen treten. Standardisierbare und durch Algorithmen abbildbare Tätigkeiten werden zukünftig durch diese durchgeführt – so das Szenario.

Die Auswirkungen auf die Arbeitswelt sind gravierend – daher ist es nicht erstaunlich, dass es mittlerweile eine Vielzahl von Untersuchungen gibt, die die Konsequenzen beleuchten. Einig sind sich viele Studiendarüber, dass erhebliche Rationalisierungseffekte zu erwarten sind; uneinig sind sie sich über die tatsächlich zu erwartenden Zahlen. Dies liegt nahe, denn diesen Untersuchungen liegen unterschiedliche Methoden und Prämissen zugrunde. Unbestritten ist, dass es zu einer Automatisierung existierender Tätigkeiten kommen wird, da digitale Technologien auf eine industrielle Welt treffen, in der viele Prozesse standardisiert und damit automatisierbar sind. Grenzen dieser Automatisierbarkeit liegen einerseits im Bereich tendenziell hoch komplexer und kognitiver Tätigkeiten, für die hohe und z. T. spezifische Qualifikationen erforderlich sind. Zum anderen zeigen sich Grenzen der Automatisierbarkeit, wenn bestimmte handwerkliche, serviceorientierte oder auch kommunikative Tätigkeiten auf der Basis von Erfahrungen und manuellem Geschick erforderlich sind – wie es bei Gärtnern, Handwerkern, Pflegekräften oder auch beim Friseur der Fall ist.

Welche konkreten Folgen und zahlenmäßigen Effekte durch diese Entwicklung nun tatsächlich zu erwarten sind, lässt sich gegenwärtig noch kaum absehen. Denn zum einen ist damit zu rechnen, dass die Demografische Entwicklung negative Konsequenzen abfedert. Zum anderen ist jetzt schon erkennbar, dass digitale Technologien zukünftig neue Tätigkeiten und neue Berufsbilder entstehen lassen, die bisher nicht so ohne Weiteres vorstellbar waren. So wird die Automatisierung zwar zu Substitutionseffekten bestehender Tätigkeiten führen; gleichzeitig gewinnen jedoch nicht automatisierbare Tätigkeiten – z. B. in der Pflege, in der Kommunikation oder im Handwerk – wie auch ganz neuartige Berufsfelder – bspw. im Bereich von Big Data – an Relevanz.
Den hierdurch erforderlichen Skill-Shift rechtzeitig zu erkennen und zu gestalten, ist sicherlich eine wichtige zukünftige Herausforderung, um negative Effekte der Automatisierung zu vermeiden. Ähnlich wichtig erscheint es, geeignete (Finanzierungs-)Ansätze zu finden, um durch diesen Strukturwandel bedingte soziale Härten rechtzeitig abfedern zu können. Im Kontext mit anderen Veränderungen der zukünftigen Arbeitswelt erfordert Automatisierung vielleicht aber auch, das vorherrschende industriell geprägte Bild von Arbeit zu hinterfragen und im Hinblick auf eine digitale Arbeitswelt weiterzuentwickeln.

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Dr. Rahild Neuburger

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Seite 564
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