Was bedeutet der Koalitionsvertrag für das Arbeitsrecht?

Einen Monat nach der Wahl hat sich die neue Regierung gefunden, die Ministerposten sind verteilt. Arbeitsminister soll - zur Überraschung vieler Experten - nicht Ronald Pofalla (CDU, designierter Kanzleramtsminister) oder Dirk Niebel (FDP, designierter Entwicklungshilfeminister) werden, sondern der Noch-Verteidigungsminister Dr. Franz Josef Jung (CDU). Ein 124 Seiten langer Koalitionsvertrag mit dem Titel „Wachstum. Bildung. Zusammenhalt.“ wurde unterzeichnet. Was erwartet uns nun im Arbeitsrecht?

> Befristete Beschäftigungsverhältnisse: Umgestaltung der Möglichkeit der Befristung von Arbeitsverträgen derart, dass die sachgrundlose Befristung nach einer Wartezeit von einem Jahr auch dann möglich wird, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.  > Strengere Regeln für Vorstände und Aufsichtsräte etc.: Jüngste Gesetzesanpassungen zur Haftung und Vergütung für Vorstände und Aufsichtsräte sollen „weiterentwickelt“ werden. Entsprechende Fehlanreize bei Unternehmen, insbes. Finanzinstituten sollen beseitigt werden (u. a. Einführung sog. Malus-Regelungen in die Vergütungsstrukturen bei Finanzinstituten). Ferner soll das Mitspracherecht der Hauptversammlung bei der Festlegung der Eckpunkte von Vorstandsvergütungen gestärkt werden. Es soll eine Mindestwartefrist von zwei Jahren für ehemalige Vorstandsvorsitzende beim Wechsel zum Aufsichtsratsvorsitzenden desselben börsennotierten Unternehmens eingeführt werden (Ausnahme für Familienunternehmen). Außerdem soll „in Gespräche“ über die Größe von Aufsichtsräten eingetreten werden und es soll in Ergänzung zum Deutschen Corporate Governance Kodex ebenfalls ein „Ehrenkodex“ für Betriebsräte entwickelt werden.  > Mitarbeiterkapitalbeteiligung: Erweiterung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung – die Beschäftigten sollen auch durch Entgeltumwandlung Anteile an ihrem Unternehmen steuerbegünstigt erwerben können. Mitarbeiterkapitalbeteiligungen sollen zudem „unternehmerische Mitverantwortung“ einschließen.  > Arbeitnehmerdatenschutz: Dieser soll weiter verbessert und in einem eigenen Kapitel im Bundesdatenschutzgesetz ausgestaltet werden. Künftig sollen nur solche Daten verarbeitet werden, die für das Arbeitsverhältnis erforderlich sind. Datenverarbeitungen, die sich z. B. auf für das Arbeitsverhältnis nicht relevantes außerdienstliches Verhalten oder auf nicht dienstrelevante Gesundheitszustände beziehen, sollen ausgeschlossen sein. Es sollen praxisgerechte Regelungen für Bewerber und Arbeitnehmer geschaffen werden sowie gleichzeitig auch Arbeitgebern eine verlässliche Regelung im Kampf gegen die Korruption an die Hand gegeben werden.  > Tarifautonomie/gesetzlicher Mindestlohn: Generell wird ein gesetzlicher Mindestlohn abgelehnt. Allerdings soll die Rechtsprechung zum Verbot sittenwidriger Löhne gesetzlich festgeschrieben werden, um Lohndumping zu verhindern. Zudem soll der sog. Tarifausschuss gestärkt werden. Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen per Verordnung sollen künftig einvernehmlich im Kabinett geregelt werden, allerdings nur, wenn sie eine Mehrheit im Tarifausschuss erzielt haben. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen zum Mindestlohn werden bis Oktober 2011 evaluiert. Auf Grundlage der Evaluation soll anschließend entschieden werden, ob die geltenden Mindestlohnregelungen Bestand haben oder aufgehoben werden sollten.  > Arbeitsmarktzugang/Fachkräfte: Einerseits soll der Arbeitsmarktzugang für „Nichtdeutsche“ verbessert werden. Zudem soll der Zugang von ausländischen Hochqualifizierten und Fachkräften zum deutschen Arbeitsmarkt systematisch an dessen Bedürfnissen ausgerichtet und nach zusammenhängenden, klaren, transparenten und gewichteten Kriterien – wie Bedarf, Qualifizierung und Integrationsfähigkeit – ausgestaltet werden. Vereinfacht werden sollen außerdem die Regelungen zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit sowie die Arbeitsplatzannahme für Studenten etc.  > Minijobs: Die Erhöhung und Dynamisierung der Grenze für sozialversicherungsfreie Minijobs soll überprüft werden. Ferner sind Änderungen bei den Hinzuverdienstgrenzen und -regeln geplant, um Arbeitsanreize zu stärken.  > Ältere Arbeitnehmer: Die Erwerbsbeteiligung Älterer soll erhöht werden und es sollen die Voraussetzungen für eine längere Teilhabe Älterer am Erwerbsleben verbessert werden. Demzufolge soll auch die staatlich geförderte Altersteilzeit über den 31.12.2009 hinaus nicht verlängert werden. Es soll geprüft werden, ob die beruflichen Altersgrenzen – auch vor dem Hintergrund einer Altersdiskriminierung – nicht gänzlich wegfallen können bzw. sollten.

 

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