Problempunkt
Ein Arbeitnehmer war bei einer GmbH & Co. KG beschäftigt. Komplementärin, also persönlich haftende Gesellschafterin der KG, war eine Verwaltungs- GmbH. Die einzige andere Gesellschafterin war die M-GmbH. Beide beschlossen, dass die Verwaltungs-GmbH als Gesellschafterin austritt. Damit erlosch nach den gesellschaftsrechtlichen Regeln die GmbH & Co. KG und die M-GmbH wurde ihre Gesamtrechtsnachfolgerin.
Die Mitarbeiter der GmbH & Co. KG wurden über den Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf die M-GmbH informiert und darauf hingewiesen, dass sie dem Übergang gemäß § 613a Abs. 6 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) widersprechen können. Dann ende allerdings ihr Arbeitsverhältnis automatisch mit dem Erlöschen ihres alten Arbeitgebers, der GmbH & Co. KG.
Einer der Beschäftigten widersprach zunächst, hielt diesen Widerspruch aber später für unwirksam. Er beantragte bei Gericht festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der M-GmbH, der Gesamtrechtsnachfolgerin, besteht. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.
Entscheidung
Vor dem BAG war der Kläger erfolgreich. Das Gericht ließ zwar zunächst offen, ob eine gesellschaftsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge einen Betriebsübergang i.S.v. § 613a Abs. 1 BGB darstellt. Dies war nicht entscheidungserheblich, da der Übergang der Arbeitsverhältnisse auf die M-GmbH wegen der gesellschaftsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge nicht von der Anwendbarkeit des § 613a BGB abhängt. Die Richter stellten aber zumindest klar, dass zwei wesentliche Merkmale eines Betriebsübergangs vorliegen: Mit dem Erlöschen des bisherigen Arbeitgebers und dessen Verschmelzung auf einen neuen Arbeitgeber wechselt der Betriebsinhaber. Dieser Wechsel erfolgt zudem durch Rechtsgeschäft.
Ein Widerspruchsrecht steht den übergehenden Arbeitnehmern in einem solchen Fall aber nach Sinn und Zweck des § 613a Abs. 6 BGB nicht zu. Es dient sowohl dem Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses als auch dem Schutz des Mitarbeiters vor unliebsamen Arbeitgebern. Der Fortbestand des alten Arbeitsverhältnisses ist aber überhaupt nicht mehr zu erreichen, wenn der Arbeitgeber erlischt. Das Widerspruchsrecht läuft daher ins Leere. Folglich ist es in solchen Fällen nicht möglich, dem Sinn und Zweck des § 613a Abs. 6 BGB Rechnung zu tragen.
Der Beschäftigte kann sich jedoch anderweitig dagegen wehren, dass ihm gegen seinen Willen ein neuer Arbeitgeber aufgedrängt werden soll. Hierzu gesteht das BAG dem Arbeitnehmer ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 626 BGB zu, falls er das Arbeitsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber nicht fortsetzen will. Dadurch wird nach Ansicht des Gerichts seine Vertrags- und Berufsfreiheit ausreichend geschützt. Ein eigenständiges Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB ist nicht erforderlich.
Des Weiteren ist es nach dem BAG nicht möglich, einen dennoch erklärten Widerspruch des Beschäftigten ohne Weiteres in eine Kündigung umzudeuten. Insbesondere eine Umdeutung nach § 140 BGB scheidet aus, da die Rechtsfolgen eines Widerspruchs gegen den Betriebsübergang andere sind als bei einer Kündigung: Bei einem Widerspruch besteht üblicherweise das Arbeitsverhältnis zu dem früheren Arbeitgeber fort, bei einer Kündigung ist dies dagegen nicht der Fall.
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Konsequenzen
Mit der Entscheidung hat das BAG einen grundsätzlichen Literaturstreit über die Frage, ob dem Arbeitnehmer ein Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB zusteht, wenn der bisherige Arbeitgeber erlischt, beendet. Das ist zu begrüßen, da es damit die Unsicherheit in solchen Fällen beseitigt hat.
Das Gericht hat darüber hinaus in einem obiter dictum klargestellt, dass diese Rechtsprechung nicht alleine bei Erlöschen des Arbeitgebers durch gesellschaftsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge gilt, sondern auch bei Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragung nach dem Umwandlungsgesetz.
Schade ist jedoch, dass das BAG keine abschließende Stellung dazu bezieht, ob auch ein Betriebsübergang nach § 613a Abs. 1 BGB vorliegt. Ebenso lässt es die Frage unbeantwortet, ob die Beschäftigten trotz des fehlenden Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 5 BGB zu unterrichten sind. Auch hierzu wäre eine Klarstellung wünschenswert gewesen.
Letztendlich besteht aber wenigstens Gewissheit darüber, dass die Mitarbeiter in diesen Konstellationen kein Widerspruchsrecht haben. Damit reduziert sich das Risiko, dass eine Transaktion scheitert, weil die Arbeitnehmer massenhaft ihr Widerspruchsrecht ausüben.
Praxistipp
Auch wenn nach der hier kommentierten Entscheidung kein Widerspruchsrecht besteht, wenn der bisherige Arbeitgeber erlischt, sollte man – um rechtliche Risiken auszuschließen – davon ausgehen, dass dennoch ein Betriebsübergang i.S.v. § 613a Abs. 1 BGB vorliegt. Es gilt also, in solchen Fällen weiterhin das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB zu beachten, um möglichen Schadensersatzansprüchen der Arbeitnehmer vorzubeugen. Zudem empfiehlt es sich, die Mitarbeiter über den rechtsgeschäftlichen Betriebsinhaberwechsel im Rahmen von § 613a Abs. 5 BGB umfassend zu unterrichten.
Da es aber – wie oben gesagt – grundsätzlich nicht möglich ist, einen dennoch erklärten Widerspruch in eine Kündigung umzudeuten, sollte das Unterrichtungsschreiben ausdrücklich auf die fehlende Möglichkeit des Widerspruchs hinweisen. Nur so kann man erreichen, dass ein dennoch erklärter Widerspruch in eine außerordentliche Kündigungserklärung umgedeutet wird.
RAin und FAin für Arbeitsrecht Verena Kappel, Schulte Riesenkampff Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main
Redaktion (allg.)
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