Vertretungstätigkeit: Mehr Verantwortung – mehr Geld?
Problempunkt
Ein Mitarbeiter des Landes Sachsen-Anhalt war seit 1991 Angestellter und erhielt seit Oktober 1996 nach seinem Arbeitsvertrag „eine außertarifliche Vergütung entsprechend der Besoldungsgruppe B2 der Bundesbesoldungsordnung (BBesO)“. Auch auf die TV-L wurde Bezug genommen.
Im März 2005 wurde ihm für die Zeit der Abwesenheit der Abteilungsleitung die Funktion eines stellvertretenden Leiters der Abteilung 4 im Ministerium für Arbeit und Soziales übertragen. Nach Eintritt in den Ruhestand des Abteilungleiters im Januar 2009 hatte er zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Referatsleiter diese wahrzunehmen. Dieser Dienstposten war mit der Besoldungsgruppe B 5 BBesO bewertet.
Das Land Sachsen-Anhalt argumentierte, es müssten auch Beamte – was der Kläger nicht war – ohne zusätzliche Besoldung höherwertige Vertretungstätigkeiten übernehmen. Der Kläger verlangte dann im Jahre 2009 die höhere Vergütung. Seine Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Im Verlaufe des Revisionsverfahrens vor dem BAG wurde der Kläger zum Abteilungsleiter befördert. Mit seiner Klage verlangte er, festzustellen dass er für seit 2009 nach B 5 BBesO zu vergüten ist.
Entscheidung
Die zulässige Feststellungklage war nach Ansicht des 5. Senats auch begründet und das Land nach § 612 Abs. 1 BGB verpflichtet, den Kläger für die Ausübung der Tätigkeit eines Abteilungsleiters während der Stellenvakanz entsprechend der Besoldungsgruppe B 5 BBesO zu vergüten.
Nach § 611 Abs. 1 BGB schuldet der Arbeitnehmer für die vereinbarte Vergütung nur die vereinbarte Tätigkeit. Das BAG ging davon aus, dass der betreffende Beschäftigte, dem eine Stellvertretung übertragen wird, damit rechnen muss, dass er die üblichen „Vertreteraufgaben“ erbringen muss, z. B. Urlaub, Krankheit, Dienstreise etc. Wenn die Konkretisierung der Tätigkeitsklausel auch eine – noch dazu mehrjährige – Stellenvakanz erfassen soll, hätte dies klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Da dies nicht der Fall war, unterfiel die streitgegenständliche Vertretungstätigkeit nicht der Vergütungsabrede der Parteien.
Die Vorschrift des § 612 Abs. 1 BGB zur Vergütung umfasst neben der quantitativen Mehrarbeit auch die qualitative Mehrleistung, also das Erbringen höherwertiger Leistungen als der vertraglich geschuldeten (BAG, Urt. v. 3.9.1997 – 5 AZR 428/96, NZA 1998, S. 540). Dabei setzt die Norm stets voraus, dass die Leistung „den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist“. Diese nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche objektive Vergütungserwartung ist – ohne dass es weiterer Darlegungen des Anspruchstellers bedarf – bei der qualitativen Mehrleistung gegeben, wenn im betreffenden Wirtschaftszweig oder der betreffenden Verwaltung Tarifverträge gelten, die für eine vorübergehend und/oder vertretungsweise ausgeübte höherwertige Tätigkeit eine zusätzliche Vergütung vorsehen (vgl. zur quantitativen Mehrarbeit BAG, Urt. v. 17.08.2011 – 5 AZR 406/10, NZA 2011, S. 1335).
Aufgrund der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen TV-L war vorliegend eine objektive Vergütungserwartung für die Vertretung des Abteilungsleiters während der Stellenvakanz gegeben. Die Höhe der zusätzlichen Vergütung bemisst sich nach § 612 Abs. 2 BGB. „Übliche Vergütung“ in diesem Sinne ist bei einer vorübergehenden höherwertigen Vertretungstätigkeit diejenige, welche der Vertretene üblicherweise beim in Anspruch genommenen Arbeitgeber erhält. Das war im Streitfall eine Vergütung nach der Besoldungsgruppe B 5.
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Konsequenzen
Diese Entscheidung hat grundsätzliche Bedeutung: Erhält der Vorgesetzte (wie regelmäßig) eine höhere Vergütung und der Arbeitnehmer muss diesen über längere Zeit und nicht nur für „normale Aufgaben“ vertreten, ergibt sich „automatisch“ ein höherer Vergütungsanspruch. Dies gilt umso mehr, wenn die Beschäftigen nach einem Tarifvertag, der entsprechende Eingruppierungen vornimmt, vergütet werden. Bei „Dauervertretungen“, die mit Urlaub o. Ä. nichts zu tun haben, sondern eine permanente Zusatzbelastung darstellen, kann der Mitarbeiter nunmehr jeweils die „übliche“ Vergütung verlangen und einklagen. Er muss natürlich die Verfallfristen eines Arbeits- und Tarifvertrags beachten.
In diesem Zusammenhang gibt es aber dann weitere, interessante Fragen, wenn z. B. eine Krankheitsvertretung auch wegen der langanhaltenden Erkrankungszeit zu einer Dauervertretung wird. Hier wird man dann auch auf die Frage abstellen müssen, wie lange üblicherweise eine Vertretung im Jahr aufgrund von Krankheit noch „üblich“ oder „normal“ ist. Hier könnten die Erhebungen über die übliche Krankheitszeit pro Jahr herangezogen werden.
Praxistipp
Die Arbeitsvertragsparteien sollten derartige Fragen – bspw. die Vertretungsumstände und die Zusatzvergütung – am besten als Ergänzung zum Arbeitsvertrag schriftlich regeln, wenn es keine einschlägigen kollektiven Regelungen gibt.
RA Volker Stück, Aschaffenburg
Redaktion (allg.)
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