Verjährungsfrist: 30 Jahre
Problempunkt
Die Klägerin, eine kleine Firma für Holzbau, hat für die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer eine Gruppenunfallversicherung abgeschlossen. Nach durchgeführten Betriebs- und Steuerprüfungen verlangte die Beklagte (die zuständige Landesversicherungsanstalt - LVA) für die Prämien zur Unfallversicherung eine Nachzahlung von insgesamt 3 204,84 DM an Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Umlagen nach dem LFZG für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis 31. August 1994. Mit Verjährungseinrede hat die Firma Widerspruch eingelegt und dann Klage erhoben, soweit wegen der Unfallversicherung Beiträge für die Jahre 1989 bis 1991 verlangt worden sind. Es gelte eine vierjährige Verjährungsfrist.Die Beklagte ging von einer 30-jährigen Verjährungsfrist aus, da die Klägerin nach Zustellung des Lohnsteuerbescheides habe ""wissen müssen"", dass die Prämienzahlungen beitragspflichtig seien. Sie habe also vorsätzlich die Beiträge vorenthalten.
Die Klägerin hat sich gegen den Vorwurf des vorsätzlichen Vorenthaltens gewandt und gegen das abweisende Urteil des Sozialgerichts Sprungrevision eingelegt.
Entscheidung
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts sah sie im Sinne der Aufhebung des ergangenen Urteils und Zurückverweisung als begründet an.Arbeitsentgelt i. S. von § 14 Abs. 1 SGB IV sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Auch bei Prämien für eine Gruppenunfallversicherung handele es sich um Arbeitsentgelt. Der geldwerte Vorteil der Versicherung ist Teil der Bemessungsgrundlage für den Sozialversicherungsbeitrag und die Umlage gemäß §§ 14, 17 LFZG. Inwieweit die Beiträge für 1989 bis 1991 verjährt sind, richtet sich danach, ob diese i. S. von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV vorsätzlich vorenthalten worden sind.
War der Arbeitgeber bei Fälligkeit der Beiträge gutgläubig (was heißt, er hat die Beiträge nicht vorsätzlich vorenthalten) und ist er es bis zum Ablauf der dann geltenden vierjährigen Frist geblieben, gilt die kurze Verjährungsfrist. War er bösgläubig (was heißt, er hat Beiträge vorsätzlich vorenthalten), gilt die 30jährige Verjährungsfrist. Dies folgt aus der Neuregelung der Verjährung durch das am 1. Juli 1977 in Kraft getretene SGB V.
Im vorliegenden Fall sei die Firma vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist im Anschluss an die Lohnsteuerprüfung 1993 bösgläubig geworden. Deshalb gelte die lange Verjährungsfrist. Vorsatz gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV setze das Bewusstsein und den Willen voraus, die Abführung fälliger Beiträge zu unterlassen.
Das angefochtene Urteil enthält nach Ansicht des Senats keine ausreichenden Feststellungen zum Vorsatz der Klägerin. Allgemeine Erwägungen genügen nicht. Das Landessozialgericht muss also noch aufklären, ob die Beiträge vorsätzlich vorenthalten worden sind und deshalb die Beitragsforderung der Beklagten zu recht besteht.
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Konsequenzen
Praxistipp
"Es möge niemand sagen: Warum soviel Aufwand, es geht doch nur(!) um 3 204,84 DM! Gerade Kleinbetriebe müssen jeden, auch noch so kleinen Posten gründlich unter die Lupe nehmen. Die Zurückverweisung ist also durchaus berechtigt. Der Senat hat zur Prüfung des subjektiven Tatbestands deutlich darauf hingewiesen: Vorsatz wird regelmäßig dann vorliegen, wenn z. B. bei ""Schwarzarbeit"" überhaupt keine Beiträge entrichtet werden. Überdies: Für die 30jährige Verjährungsfrist reicht es aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat (Urt. v. 21.6.1990 - 12 KR 13/98). Ferner geht es um die Frage, für welchen Zeitraum die Arbeitnehmeranteile bei Hinzutritt eines Vorenthaltungsvorsatzes zu leisten sind: für die gesamte fragliche Zeit oder nur für Zeiten der Bösgläubigkeit? Im vorliegenden Fall vertritt der Senat die Ansicht, der Arbeitgeber werde ""nicht unzumutbar belastet"", wenn er - bei gegebenem Vorsatz - die Anteile insgesamt zu tragen hat. Das kann nicht überzeugen, weil damit die ja unbestritten anfänglich vorliegende Gutgläubigkeit einfach außer Betracht bleibt. Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr die große Verantwortung, die jedes Unternehmen für das Erfüllen gesetzlicher Pflichten zur Beitragsentrichtung trägt. Der gängige Satz ""Als Nicht-jurist habe ich das nicht gewusst!"" schützt keinesfalls vor eventuellen Folgen. Auch dann nicht, wenn - wie in diesem Fall - die geltenden Vorschriften anerkanntermaßen wirklich unübersichtlich und kompliziert sind."
Dr. Gerwin Udke, Berlin
Redaktion (allg.)
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Problempunkt
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