Unfallversicherungsschutz für betriebliches Fußballturnier

1. Die Teilnahme eines Bankangestellten an einem betrieblichen Fußballturnier seines Arbeitgebers ist keine versicherte Beschäftigung, da diese Tätigkeit nicht zu den Haupt-/Nebenleistungspflichten gehört.

2. Ein Fußballturnier steht nur dann als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung unter Versicherungsschutz, wenn es im Rahmen einer Veranstaltung stattfindet, die alle Betriebsangehörigen, auch die nicht sportinteressierten, einbezieht. Hingegen ist die Teilnahme an reinen Freizeit- und Erholungsveranstaltungen selbst dann nicht versichert, wenn diese vom Unternehmen organisiert und finanziert werden.

3. Eine Veranstaltung, an der von 672 angemeldeten Personen auch 78 Externe (Familienangehörige und Bekannte) beteiligt sind, dient nicht mehr der Pflege der Verbundenheit zwischen den Beschäftigten untereinander.
(Leitsätze des Bearbeiters)

BSG, Urteil vom 15. November 2016 – B 2 U 12/15 R

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Bild: Corgarashu / stock.adobe.com
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Problempunkt

Der Kläger ist bei der S. Bank als Bankkaufmann beschäftigt. Die Bank führte am 28./29.5.2010 ein Fußballturnier durch, wozu Sie im Januar 2010 mit einem Schreiben einlud, das sich richtete an: „Liebe Fußballfans und Kicker“. Daran nahmen 594 der etwa 3.000 Mitarbeiter der S. Bank sowie 78 externe Personen teil. Bei den Externen handelte es sich um Angehörige von Tochtergesellschaften und Kooperationspartnern sowie um Familienmitglieder von Beschäftigten der Bank. Am 29.5.2010 zog sich der Kläger während des Fußballturniers eine Achillessehnenruptur zu. Die Beklagte lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Das Fußballturnier habe sich in der Hauptsache an Fußballinteressierte gerichtet, so dass eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung ausscheide. Hiergegen richtet sich die Klage, die vor dem SG Erfolg hatte, aber vom LSG abgewiesen wurde.

Entscheidung

Das BSG stellte fest, dass der Kläger während des Fußballspiels keinen Arbeitsunfall erlitten hat, da er nicht seiner Beschäftigung bei der S. Bank nachgegangen ist und auch nicht an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung teilgenommen hat.

Eine versicherte Beschäftigung i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII wird ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt (BSG v. 26.6.2014 – B 2 U 7/13 R, AuA 12/14, S. 727). Mit seiner Teilnahme am Fußballspiel hat der Kläger offenkundig weder eine geschuldete noch eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt und auch kein unternehmensbezogenes Recht wahrgenommen. Das Fußballspielen kann auch nicht ausnahmsweise als Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung der versicherten Beschäftigung zugerechnet werden. Eine Teilnahme an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen kann der versicherten Beschäftigung nur unter bestimmten Voraussetzungen zugerechnet werden: Der Arbeitgeber muss die Veranstaltung als eigene betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung durchführen oder durchführen lassen. Er hat zu ihr alle Betriebsangehörigen oder bei Gemeinschaftsveranstaltungen für organisatorisch abgegrenzte Abteilungen des Betriebs alle Angehörigen dieser Abteilung einzuladen oder einladen zu lassen. Bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen in einzelnen organisatorischen Einheiten des Unternehmens, insbesondere wenn das Unternehmen über mehrere Betriebsstätten oder Dienststellen verfügt, genügt es, dass die Leitung der jeweiligen organisatorischen Einheit als Veranstalter auftritt. Mit der Einladung muss der Wunsch des Arbeitgebers deutlich werden, dass möglichst alle Beschäftigten sich freiwillig zu einer Teilnahme entschließen. Die Teilnahme muss daher vorab erkennbar grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens oder der betroffenen Abteilung offenstehen und objektiv möglich sein. Es reicht nicht aus, dass nur den Mitarbeitern einer ausgewählten Gruppe die Teilnahme angeboten wird oder zugänglich ist. Nur in Ausnahmefällen, in denen Arbeitnehmer von vornherein nicht teilnehmen können, weil etwa aus Gründen der Daseinsvorsorge der Betrieb aufrechterhalten werden muss oder wegen der Größe der Belegschaft aus organisatorisch-technischen Gründen eine gemeinsame Betriebsveranstaltung ausscheidet, muss die umfassende Teilnahmemöglichkeit nicht für alle bestehen. Die Teilnahme der Unternehmensleitung selbst an der Veranstaltung ist nicht mehr erforderlich (vgl. BSG, Urt. v. 5.7.2016 – B 2 U 19/14 R, AuA 1/17, S. 52). Die von der Unternehmensleitung getragene und im Einvernehmen mit ihr durchgeführte Veranstaltung muss darauf abzielen, die Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander zu fördern. An diesem betrieblichen Zusammenhang fehlt es, wenn stattdessen Freizeit, Unterhaltung, Erholung oder die Befriedigung sportlicher oder kultureller Interessen im Vordergrund stehen.

Zweifel hatte das BSG bereits daran, ob die Veranstaltung allen offenstand. Zwar war das Turnier im hausinternen Intranet angekündigt. Jedoch richtete sich die Einladung an „Fußballfans und Kicker“, hatte Wettkampfcharakter und zielte darauf ab, fußballinteressierte Belegschaftsmitglieder zu einer Teilnahme zu motivieren, was eine rein sportliche Veranstaltung nahelegt. Ein Fußballturnier steht nur dann als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung unter Versicherungsschutz, wenn es im Rahmen einer Veranstaltung stattfindet, die alle Betriebsangehörigen, auch die nicht sportinteressierten, einbezieht. Hingegen ist die Teilnahme an reinen Freizeit- und Erholungsveranstaltungen selbst dann nicht versichert, wenn diese vom Unternehmen organisiert und finanziert werden. Stehen Freizeit, Unterhaltung oder Erholung im Vordergrund, fehlt es an einem wesentlichen betrieblichen Zusammenhang (BSG, Urt. v. 7.12.2004 – B 2 U 47/03 R, NZS 2005, S. 657). Das war nach dem BSG hier der Fall, denn die Veranstaltung sah für die nicht als Fußballspieler teilnehmenden Personen keine weiteren Programmpunkte außerhalb des Turniers vor. Da sie den Tag zur freien Verfügung hatten, konnte kein Beitrag zum betrieblichen Wir-Gefühl erfolgen. Eine Veranstaltung, an der von 672 angemeldeten Personen auch 78 Externe (Familienangehörige und Bekannte) teilnehmen, dient zudem nicht mehr der Pflege der Verbundenheit zwischen den Beschäftigten untereinander.

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Konsequenzen

Die Entscheidung des BSG verdeutlicht, dass ein sportlicher Wettkampfcharakter und die Einladung bzw. Beteiligung Nichtbeschäftigter dazu führen, dass keine versicherte Gemeinschaftsveranstaltung vorliegt. Ziel muss die Teilnahme möglichst vieler Beschäftigter, deren Mitwirkung am Veranstaltungsprogramm, die Kommunikation miteinander und damit eine Förderung des Gemeinschaftsgedankens und eine Stärkung des „Wir-Gefühls“ innerhalb der Belegschaft sein. Schließlich weisen die Richter darauf hin, dass es weder Unternehmen noch die Beschäftigten in der Hand haben, den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auf Tatbestände auszuweiten, die unversichert sind. Eine rechtlich unzutreffende Auffassung von Unternehmen und Beschäftigten, eine bestimmte Verrichtung stehe im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, begründet keinen Versicherungsschutz (vgl. bereits BSG, Urt. v. 13.12.2005 – B 2 U 29/04 R, AuA 7/06, S. 430).

Praxistipp

Bei der Planung von bzw. Einladung zu Gemeinschaftsveranstaltungen ist darauf zu achten, dass diese allen Beschäftigten offenstehen und die Förderung des betrieblichen „Wir-Gefühls“ im Vordergrund steht. Eine Einladung Externer kann schädlich sein.

RA Volker Stück, Aschaffenburg

Redaktion (allg.)

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