Taxifahrten als Vorstellungskosten

1. Ein Arbeitgeber hat einem Bewerber Taxikosten zum Vorstellungstermin zu ersetzen, wenn er in einer Wegbeschreibung die Taxifahrt vom Bahnhof zum Firmensitz als Anreisemöglichkeit anführt.


2. Der Anspruch ist gem. § 254 Abs. 1 BGB um die Hälfte zu kürzen, wenn sich der Bewerber nicht zuvor nach der Erstattungswilligkeit des potentiellen Arbeitgebers erkundigt.
(Leitsätze des Bearbeiters)

ArbG Köln, Urteil vom 20. Mai 2005 - 2 Ca 10220/04 §§ 670; 280 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 254 Abs. 1 BGB

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Problempunkt

Der Kläger wurde von dem Beklagten zu einem Vorstellungstermin geladen. In dem Einladungsschreiben setzte der Beklagte den Umfang der von ihm zu ersetzenden Reiseauslagen auf die Kosten für die "günstigste Klasse" bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln fest, wobei dies auch bei der Anreise mit Privat-Pkw gelten sollte. Der Einladung war eine Wegbeschreibung beigefügt, die unter der Rubrik "Anreise mit der Deutschen Bahn" die Weiterfahrt mit dem Taxi vom Hauptbahnhof zum Betrieb des Beklagten explizit als Anreisevariante nannte. Der Kläger macht die Erstattung der Taxikosten in voller Höhe geltend, da eine andere Reisemöglichkeit zur Wahrnehmung des Termins nicht gegeben gewesen sei. Der Beklagte ist der Ansicht, nur die Kosten für die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu schulden. Eine solche sei problemlos möglich gewesen.

Entscheidung

Das Arbeitsgericht Köln sprach dem Kläger die Hälfte der aufgewandten Taxikosten über einen Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (§§ 280 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) zu.

Vorweg verneint das Gericht einen Anspruch auf Aufwendungsersatz aus § 670 BGB mangels "Erforderlichkeit" der Taxikosten. Der Bewerber hätte den Betrieb des Beklagten von seinem Wohnort aus ohne weiteres rechtzeitig und erheblich preisgünstiger allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen können. Zudem hat der Beklagte den Umfang der zu ersetzenden Reisekosten zulässig und wirksam auf die öffentlichen Verkehrsmittel beschränkt.

Nach Ansicht des Gerichts besteht jedoch ein Anspruch auf Schadensersatz, weil spätestens durch die Einladung zum Vorstellungsgespräch zwischen den Parteien ein Schuldverhältnis in Form der Aufnahme von Vertragsverhandlungen (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) entstanden war. Der Bewerber durfte aufgrund der dem Schreiben beigefügten Wegbeschreibung darauf vertrauen, dass etwaige Taxikosten für die (Weiter-)Fahrt vom Hauptbahnhof zum Betrieb des Beklagten erstattet werden. Da die Taxifahrt explizit als Anreisevariante genannt war, hätte es einer ausdrücklichen Klarstellung in der Einladung an den Kläger bedurft, dass Taxikosten nicht erstattet werden. Nur so hätte beim Kläger ein Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Übernahme von Taxikosten verhindert werden können.

Der Anspruch wurde jedoch um die Hälfte gekürzt, da dem Kläger bei der Schadensverursachung ein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) anzulasten ist. Nach Erhalt des Einladungsschreibens hätte der Bewerber telefonisch oder per E-Mail bei dem Beklagten spontan erfragen können und müssen, ob eventuell entstehende Taxikosten erstattet werden und auf welche Weise der Betrieb des Beklagten anderenfalls kostengünstiger hätte erreicht werden können. Eine solche Nachfrage hätte sich dem Kläger - einem Rechtsassessor - geradezu aufdrängen müssen.

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Konsequenzen

Die Entscheidung verdient nur teilweise Zustimmung.

In dem Einladungsschreiben ist der Arbeitgeber zunächst nach den arbeitsrechtlichen Grundsätzen zur Beschränkung des Vorstellungskostenersatzes verfahren (vgl. hierzu ErfK/Preis, 6. Auflage 2006, § 611 BGB Rdnr. 296 ff.). Zu Recht verneint das Gericht daher einen Anspruch aus §§ 670, 662 BGB. Nach ganz herrschender Meinung hat ein Bewerber zwar Anspruch auf Erstattung der Vorstellungskosten, wenn er vom potentiellen Arbeitgeber zur Vorstellung aufgefordert worden ist (vgl. BAG, Urt. v. 29.6.1988 - 5 AZR 433/87, NZA 1989, S. 468). Die Erstattungspflicht kann jedoch sowohl ausgeschlossen (vgl. ArbG Kempten, Urt. v. 12.4.1994 - 4 Ca 0720/94, BB 1994, S. 1504) als auch auf ein bestimmtes Maß beschränkt werden, sofern dies vom Arbeitgeber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird (ErfK/Preis, a.a.O., Rdnr. 296 m.w.N.). Eine solche Beschränkung war hier - wie das Arbeitsgericht Köln zu Recht feststellt - durch den potentiellen Arbeitgeber wirksam vorgenommen worden und für den Kläger, als Assessor jedenfalls juristisch vorgebildet, problemlos erkennbar. Konsequenterweise lehnt das daher Gericht auch die Berufung auf eine unklare Formulierung nach AGB-Recht (sog. Zweifelsregelung des § 305c Abs. 2 BGB) ab.

Im vorliegenden Fall wäre der Arbeitgeber jedoch gut beraten gewesen, in der Wegbeschreibung keine Taxiverbindung zu erwähnen. Gerade dies löste nach Ansicht des Gerichts den Schadensersatzanspruch aus, kann aber in der vorgetragenen Begründung nicht überzeugen.

Kritisch zu betrachten ist insbesondere die Annahme eines Vertrauenstatbestandes hinsichtlich der Übernahme der Taxikosten des Bewerbers. Ein solches Vertrauen kann gerade beim juristisch gebildeten Bewerber nicht angenommen werden. In der Einladung waren die erstattungsfähigen Kosten auf die Kosten für die "günstigste Klasse" bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln festgelegt, was auch bei Inanspruchnahme eines privaten Kraftfahrzeuges gelten sollte. Diese vom Arbeitgeber geäußerte Prämisse wird auch durch die Wegbeschreibung nicht beseitigt. Sie ist vielmehr als rein geographische Hilfestellung zu interpretieren, die vor dem Hintergrund der klar geäußerten Erstattungsrichtlinien keinen Interpretationsspielraum zulässt.

Praxistipp

Mit der Argumentation des Arbeitsgerichts Köln geht letztlich der Arbeitgeber "auf Nummer sicher", der von vornherein klar darauf hinweist, eine Erstattung von Auslagen sei nicht möglich. Will ein Arbeitgeber Bewerbern entgegenkommen und diesen zumindest die Kosten des öffentlichen Personennahverkehrs erstatten, so hat er Folgendes zu beachten: Um die (ggf. auch nur versuchte) Inanspruchnahme durch Bewerber auf Taxikostenersatz zu vermeiden, ist der klarstellende Hinweis zu empfehlen, dass eine Erstattung von Taxikosten nicht gewährt wird. Der Hinweis muss entweder im Einladungsschreiben unter Bezugnahme auf die Wegbeschreibung oder direkt in der Wegbeschreibung enthalten sein. Ein Löschen der Anreisemöglichkeit per Taxi aus der Wegbeschreibung, die für einen anderen Adressatenkreis (z.B. Kunden) ebenfalls nützlich ist, kann so vermieden werden. Sicherheitshalber sollte auch überprüft werden, ob etwa auf der Firmen-Homepage bereitgestellte Anfahrtsbeschreibungen Taxiverbindungen erwähnen.

RA Christoph F. Keckeisen, Düsseldorf

Redaktion (allg.)

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