Sonderkündigungsverfahren für Schwerbehinderte
Problempunkt
Dem schwerbehinderten Kläger war von seinem Arbeitgeber gekündigt worden. Der Arbeitgeber hatte die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle des Beklagten hierzu eingeholt. Diese wiederum hatte gemäß § 17 Abs. 2 SchwbG die Stellungnahme des örtlichen Arbeitsamtes, nicht aber die Stellungnahme des für den Wohnsitz des Klägers zuständigen Arbeitsamtes eingeholt. Der Kläger legte gegen die Zustimmung Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren forderte der Beklagte auch von dem Wohnsitzarbeitsamt eine Stellungnahme ein, die aber ausblieb. Dem Widerspruch wurde nicht abgeholfen.Gegen die erteilte Zustimmung durch die Hauptfürsorgestelle ging der Kläger vor das Verwaltungsgericht, wo er Recht bekam. Berufung und Revision gingen indes zu seinen Ungunsten aus.
Entscheidung
Der (stark verkürzt wiedergegebene) Sachverhalt wirft zwei Fragen auf: 1. Kann eine unterbliebene Beteiligung des Wohnsitzarbeitsamtes nach § 17 Abs. 2 SchwbG noch im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden? 2. Durfte sich die Hauptfürsorgestelle mit dem Ausbleiben der Stellungnahme zufrieden geben (also ohne eine solche Stellungnahme entscheiden)?Zunächst zur ersten Frage: Sind für den Sitz des Betriebes und den Wohnsitz des Arbeitnehmers unterschiedliche Arbeitsämter zuständig, so hat die Hauptfürsorgestelle von beiden eine Stellungnahme einzuholen. Die unterbliebene Einholung kann nach einhelliger Ansicht noch im Widerspruchsverfahren nachgeholt und der Verfahrensfehler damit geheilt werden. Dies folgt aus § 41 Abs. 1 Nr. 5 SGB X, der die Heilung ausdrücklich vorschreibt. Eine abweichende Regelung i. S. von § 37 Satz 1 SGB I liegt nicht vor. Außerdem erhält die Ermessensentscheidung der Hauptfürsorgestelle erst durch den Widerspruchsbescheid ihre endgültige Form, so dass es ausreichend ist, wenn die Verfahrensmängel bis dahin behoben sind.
Bezüglich der zweiten Frage sieht das BVerwG auch keinen Verstoß gegen § 17 Abs. 2 SchwbG , wenn die Hauptfürsorgestelle das Arbeitsamt zwar beteiligt, dann aber trotz ausgebliebener Stellungnahme entschieden hat. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss dem Arbeitsamt Gelegenheit zur Stellungnahme geben werden. Bleibt eine solche aus, braucht die Hauptfürsorgestelle keine weiteren Ermittlungen anzustellen oder das Arbeitsamt zur Abgabe zu drängen.
Die Regelung im § 17 Abs. 2 SchwbG will sicherstellen, dass die Hauptfürsorgestelle ausreichend Informationen als Grundlage für ihre Ermessensentscheidung erhält. Dabei steht sie unter dem zeitlichen Druck des § 18 Abs. 1 SchwbG (1 Monat). Angesichts dessen (und der fehlenden Möglichkeit, das Arbeitsamt zu einer fristgerechten Abgabe der Stellungnahme zu zwingen) liegt es daher im pflichtgemäßen Ermessen der Hauptfürsorgestelle, ob sie bei Ausbleiben der Stellungnahme weitere Ermittlungen anstellt oder ob ihr die bestehende Tatsachengrundlage für die Entscheidung ausreicht.
Im vorliegenden Fall erachtete das BVerwG weitere Ermittlungen für nicht erforderlich. Die Hauptfürsorgestelle habe davon ausgehen können, dass das zweite Arbeitsamt keine weiteren entscheidungsrelevanten Tatsachen gegenüber denen, die in der Stellungnahme des ersten Arbeitsamtes enthalten waren, beisteuern konnte oder wollte. Es konnte daher seine Entscheidung - jedenfalls im Hinblick auf die Informationen des Arbeitsamtes- auf die eine vorhandene Stellungnahme stützen.
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Konsequenzen
NULLPraxistipp
Die fehlende Einholung einer arbeitsamtlichen Stellungnahme gemäß § 17 Abs. 2 SchwbG kann im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden. Dabei ist es nicht zwingend erforderlich, dass eine solche Stellungnahme auch tatsächlich vom aufgeforderten Arbeitsamt abgegeben wird. Die Hauptfürsorgestelle kann (im Rahmen des Amtsermittlungsprinzips) ihre Entscheidung auch auf andere Erkenntnisse stützen.
RiLG Dr. Jens Peglau, Herdecke/Berlin
Redaktion (allg.)
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