Problempunkt
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers gegen einen früheren Arbeitnehmer.
Die Klägerin, eine Anstalt öffentlichen Rechts, war bis Ende 2009 Betreiberin eines Krematoriums. Seit 2010 wird dieses von einer Tochtergesellschaft betrieben. Der Beklagte war von 1995 bis Oktober 2010 in dem Krematorium beschäftigt und bediente jedenfalls bis Mai 2005 die Einäscherungsanlage.
Die Mitarbeiter hatten die Anweisung, nach dem Einäscherungsvorgang die Asche auf Rückstände wie Zahngold und andere Wertgegenstände zu untersuchen. Ab dem Jahre 2003 jedenfalls waren die Beschäftigten schriftlich darauf hingewiesen worden, dass sie keine Wertgegenstände Verstorbener für sich behalten durften. Im Zuge eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen schweren Bandendiebstahls, Störung der Totenruhe und Verwahrungsbruch wurden Videoaufnahmen verwertet, aus denen sich ergab, dass Arbeitnehmer die Asche der Verstorbenen gezielt nach Gegenständen durchsuchten und diese an sich nahmen. Bei Hausdurchsuchungen wurden Zahngold aus Kremierungsrückständen und erhebliche Geldbeträge gefunden, sowie in der gemeinsamen Wohnung des Beklagten und seiner Lebensgefährtin Unterlagen über Verkäufe von Edelmetall.
Die Klägerin kündigte daraufhin das mit dem Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis fristlos. Die Kündigungsschutzklage blieb erfolglos.
Die Klägerin wiederum erhob Klage auf Schadensersatz für den Erlös der in den Jahren von 2003 bis 2010 entwendeten Materialien i. H. v. zuletzt 255.640,41 Euro nebst Zinsen.
Das ArbG Hamburg wies die Klage ab; das LAG gab der Klage i. H. v. 255.610,41 EUR statt. Auf die Revision des Beklagten hat das BAG die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG Hamburg zurückverwiesen.
Entscheidung
Der 8. Senat entschied, dass dem Arbeitgeber als Betreiber des Krematoriums grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch zusteht, wenn ein Arbeitnehmer Zahngold aus Krematoriumsasche an sich nimmt. Dies gilt auch, wenn das Unternehmen an dem Zahngold kein Eigentum erlangt hat. Die Aneignung des Zahngolds als herrenlose Sache scheidet wegen des vorrangigen Eigentums der Erben aus.
Laut BAG folgt aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 667 ff. BGB, dass der Kläger als Beauftragter auf Schadensersatz haftet, wenn ihm eine Herausgabe der erlangten Gegenstände unmöglich ist. Auch wenn Mitarbeiter nicht unentgeltlich tätig werden, ist das Auftragsrecht auf die Herausgabeansprüche entsprechend anzuwenden.
Da das erlangte Zahngold zur weiteren Verarbeitung nach Einschmelzen vom Beklagten veräußert worden ist, hat die Klägerin nach § 280 BGB einen Schadensersatzanspruch.
Das LAG hatte den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch bezogen auf das Jahr 2010 abgewiesen, da das Krematorium zu Beginn des Jahres 2010 möglicherweise im Rahmen eines Betriebsübergangs auf eine Tochtergesellschaft der Klägerin übergegangen ist. Insofern ist die Aktivlegitimation der Klägerin fraglich. Dies muss das LAG erneut überprüfen.
Wenn die Tochtergesellschaft in die Rechte und Pflichten der Klägerin eingetreten ist, erfasst dies auch einen Schadensersatzanspruch, denn nach dem Gesetzeswortlaut des § 613a Abs. 1 BGB werden „die“ Rechte und Pflichten „aus“ dem Arbeitsverhältnis übertragen. Die Rechtsstellung des ehemaligen Arbeitgebers wird unverändert eingenommen; das umfasst auch für die Beschäftigten nachteilige Rechtspositionen.
Schadensersatzansprüche aus deliktischem Verhalten sind hingegen nicht gegeben, da es sich nicht um eine Eigentumsverletzung handelt. Die Klägerin als Krematoriumsbetreiberin konnte das Eigentum an dem Zahngold nicht nach § 958 Abs. 1 BGB erwerben; es steht den Erben zu.
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Konsequenzen
Die Durchsetzung eines Herausgabeanspruchs war der Klägerin unmöglich, da der Beklagte das Zahngold bereits weiterveräußert hatte. Ein Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers kann sich aber auch aus analoger Anwendung des Auftragsrechts (§§ 662 ff. BGB) ergeben, auch wenn der Mitarbeiter nicht unentgeltlich tätig ist.
Sollte es im vorliegenden Fall zu einem Betriebsübergang gekommen sein, so ist der geltend gemachte Anspruch auf die Tochtergesellschaft übergegangen. Hierüber muss das LAG erneut die Tatsachenlage prüfen und entscheiden.
Praxistipp
Obacht beim Betriebsübergang! In der Presse erregte die Entscheidung vor allem wegen der Frage des Eigentums am Zahngold Aufsehen. Während sich das Urteil nur kurz zu der Frage verhält, ob ein Schadensersatzanspruch gegeben ist, so liegt der Schwerpunkt des Falles aus arbeitsrechtlicher Perspektive in der Frage der Aktivlegitimation der Klägerin. Dies wiederum ist eine Tatsachenfrage, die das BAG nicht entscheiden konnte. Für die Praxis bedeutet dies allerdings, dass auch im Rahmen eines Prozesses, der mit einem Betriebsübergang nicht offensichtlich etwas zu tun hat, die Aktivlegitimation immer sorgfältig zu prüfen ist.
RAin Dagmar Hellenkemper, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Essen
Redaktion (allg.)
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