Sachgrundlose Befristung im Anschluss an Heimarbeitsverhältnis

Ein Arbeitsvertrag kann auch dann ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis auf die Dauer von zwei Jahren kalendermäßig befristet werden, wenn zwischen den Parteien zuvor ein Heimarbeitsverhältnis bestanden hat.
(Leitsatz des Bearbeiters)

BAG, Urteil vom 24. August 2016 – 7 AZR 342/14

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Problempunkt

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses. Die Klägerin war für die Beklagte in der Zeit vom 15.6.2009 bis 31.8.2010 zunächst als Heimarbeiterin tätig. Ab dem 1.9.2010 wurde sie im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten beschäftigt. Der Arbeitsvertrag war sachgrundlos auf die Dauer von einem Jahr befristet. Mit Ergänzungsvertrag vom 12.5.2011 wurde dieser bis zum 31.8.2012 verlängert. Die Klägerin begehrte mit ihrer Entfristungsklage die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristung am 31.8.2012 geendet hat. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin bereits zuvor in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten gestanden habe. Die Beklagte war dagegen der Ansicht, dass die Tätigkeit der Klägerin als Heimarbeiterin kein Arbeitsverhältnis dargestellt habe.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Entscheidung

Das BAG hat das Berufungsurteil bestätigt. Der 7. Senat hat die Befristung des Arbeitsvertrags für wirksam erklärt. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG konnte der Arbeitsvertrag für die Dauer von zwei Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes befristet werden. Eine sachgrundlose Befristung ist zwar nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Ein Heimarbeitsverhältnis nach § 2 Abs. 1 HAG ist jedoch kein solches Arbeitsverhältnis i. S. d. § 14 Abs. 2 TzBfG. Da die Klägerin folglich nicht bereits zuvor in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden hat, war eine sachgrundlose Befristung rechtlich zulässig.

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Konsequenzen

Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG ist ständiger Gegenstand der rechtspolitischen und rechtswissenschaftlichen Diskussion. Das BAG ist nahezu regelmäßig dazu aufgerufen, seinen Beitrag zur Konkretisierung der Norm zu leisten. Dies gilt insbesondere für die hier gegenständlichen „Bereits zuvor“-Arbeitsverhältnisse und Fragen der Verlängerung eines ordnungsgemäß sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses.

Im vorliegenden Zusammenhang stellen sich die Fragen, wie die Begrifflichkeit des „bereits zuvor“ auszulegen und was ein Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber ist. Die Vereinbarung einer sachgrundlosen Befristung ist nur zulässig, wenn nicht bereits zuvor zwischen den auf beiden Seiten identischen Vertragsparteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Eine Gesamtrechtsnachfolge reicht für diese Identität nicht aus, ein erfolgter Betriebsübergang dagegen schon (vgl. etwa BAG, Urt. v. 19.3.2014 – 7 AZR 527/12). In zeitlicher Hinsicht gilt noch immer, dass eine Zuvorbeschäftigung dann nicht vorliegt, wenn zwischen dem Ende des alten und dem Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses drei Jahre vergangen sind (BAG, Urt. v. 6.4.2011 – 7 AZR 716/09, AuA 2/12, S. 119). Da die Angriffe auf dieses Urteil in der Literatur und auch von den Instanzgerichten nahezu unüberschaubar sind und fortlaufend aufrechterhalten und erneuert werden, bleibt jedoch abzuwarten, ob sich die eingeschlagene Linie des BAG wirklich verfestigt. Vorliegend hat der 7. Senat zur Klärung der Begrifflichkeit des Arbeitsverhältnisses beigetragen. Ein Heimarbeitsverhältnis ist danach kein Arbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Das Heimarbeitsverhältnis wird im Ergebnis einem Praktikanten-, Volontär- oder Ausbildungsverhältnis gleichgestellt. Insoweit hatte das BAG bereits eine Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis vorgenommen. Auszubildende, Praktikanten und Volontäre befänden sich nicht in einem Arbeitsverhältnis, da insoweit der Ausbildungscharakter der Einordnung als Arbeitsverhältnis entgegenstehe (BAG, Urt. v. 21.9.2011 – 7 AZR 375/10, AuA 4/12, S. 246).

Für Heimarbeiter nach § 2 HAG ist jedoch ein anderes Unterscheidungskriterium maßgebend. Heimarbeiter sind arbeitnehmerähnliche Selbstständige, deren Schutz nicht durch die Arbeitsgesetze erfolgt, sondern sondergesetzlich normiert ist. Zentrales Abgrenzungskriterium ist das arbeitgeberseitige Weisungsrecht. Heimarbeiter unterliegen nicht dem Direktionsrecht nach § 106 GewO. Da das arbeitgeberseitige Weisungsrecht jedoch ein zentrales Merkmal eines Arbeitsverhältnisses ist, unterfallen Heimarbeiter dieser Begrifflichkeit nicht. Für sie gilt demzufolge auch nicht das Beschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG.

Die vorliegende Entscheidung stellt zutreffend auf den Rechtsgehalt eines Heimarbeitsverhältnisses ab. Der Gesetzgeber hat Heimarbeiter nicht als Arbeitnehmer klassifiziert, so dass diese folgerichtig auch nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen können. Das BAG hat zutreffend den Normzweck des § 14 Abs. 2 TzBfG dahingehend zum Maßstab seiner Auslegung gemacht, dass bereits als Arbeitnehmer beschäftigte Personen nicht mehr sachgrundlos befristet werden dürfen. Für die Klassifizierung als Arbeitnehmer konnte der 7. Senat sodann folgerichtig auf die allgemeinen Maßstäbe zurückgreifen.

Praxistipp

Die vorliegende Entscheidung stellt in erfreulicher Klarheit fest, dass ein Heimarbeiter nach § 2 HAG nicht in einem Arbeitsverhältnis i. S. d. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG steht. Für die Praxis zu beachten ist indes, dass nicht jeder, der Zuhause arbeitet, ein Heimarbeiter ist. Die gegenständliche Entscheidung betrifft ausschließlich Heimarbeiter nach der gesetzlichen Definition des § 2 HAG. Wer weisungsgebunden beschäftigt wird, ist Arbeitnehmer und befindet sich mithin in einem Arbeitsverhältnis. Insoweit ist auf die allgemeinen Regeln zur Abgrenzung der Arbeitnehmereigenschaft abzustellen.

RA und FA für Arbeitsrecht Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FOM Hochschule Bremen, Direktor Kompetenz Centrum für Wirtschaftsrecht, Hamburg

Redaktion (allg.)

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