Bonus nach billigem Ermessen

1. Höhe und Art einer Bonuszahlung müssen nicht abschließend im Arbeitsvertrag festgelegt werden. Vielmehrkann sich der Arbeitgeber hierübereine Entscheidung nach billigem – nicht jedoch freiem – Ermessen i. S. d. § 315 BGB vorbehalten.

2. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine Leistungsbestimmung billigem Ermessen entspricht, trägt in der Regel der Arbeitgeber als Bestimmungsberechtigter.

3. Entspricht eine Leistungsbestimmung nicht billigem Ermessen oder erbringt ein Arbeitgeber im Prozess keinen oder keinen hinreichenden Vortrag dazu, warum eine bestimmte Leistungsbestimmung billigem Ermessen entspricht, ist sie unverbindlich und hat (ersatzweise) durch Urteil zu erfolgen.

4. Diese richterliche Ersatzleistungsbestimmung ist auf Grundlage des Vortrags der Parteien im Prozess zu treffen.
(Leitsätze des Bearbeiters)

BAG, Urteil vom 8. August 2016 – 10 AZR 710/14

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Bild: Stefan-Yang / stock.adobe.com
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Problempunkt

Der Kläger war bei der deutschen Niederlassung einer internationalen Großbank als Managing Director beschäftigt. Vertraglich war vereinbart, dass er am jeweils gültigen Bonussystem und/ oder am sog. Deferral Plan teilnimmt. Entsprechend erhielt er für das Geschäftsjahr 2009 einen garantierten Bonus i. H. v. 200.000 Euro, für das Geschäftsjahr 2010 eine Leistung i. H. v. 9.920 Euro und für das Jahr 2011 erhielt der Kläger keinen Bonus oder Deferral Award. Andere Mitarbeiter der Bank erhielten Leistungen, die sich der Höhe nach überwiegend zwischen einem Viertel und der Hälfte der jeweiligen Vorjahresboni bewegten. Mit seiner Klage begehrte der Banker eine Bonuszahlung für das Geschäftsjahr 2011, dessen Höhe er in das Ermessen des Gerichts stellte, mindestens aber 52.480 Euro.

Das ArbG Frankfurt am Main hat die Bank zur Zahlung eines Bonus i. H. v. 78.720 Euro verurteilt. Das Hessische LAG hat die Klage auf die Berufung der Beklagten mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen, die eine gerichtliche Festsetzung der Bonushöhe ermöglichten.

Entscheidung

Die dagegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem BAG Erfolg. Die Erfurter Richter entschieden, dass der Angestellte nach den vertraglichen Vereinbarungen dem Grunde nach einen Anspruch auf einen Bonus und/oder Deferral Award hat, dessen Höhe nach billigem Ermessenvon der Bank festzusetzen war. Die Beklagte legte nach Ansicht des BAG nicht ausreichend dar, dass die Festsetzung des Bonus für das Jahr 2011 „auf null“ billigem Ermessen entsprach. Erfolgt kein oder kein hinreichender Vortrag dazu, warum eine bestimmte Leistungsfestsetzung billigem Ermessen entsprechen soll, ist die getroffene Leistungsbestimmung unverbindlich und sie, d. h. vorliegend die Höhe des Bonusanspruchs, erfolgt durch Urteil (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Grundlage für die richterliche Leistungsbestimmung ist dabei der Sachvortrag der Parteien. Es wird hierbei direkt über den geltend gemachten Anspruch entschieden und nicht nur überprüft, ob die Bonusfestsetzung billigerweise zutrifft. Eine Darlegungs- und Beweislast im prozessualen Sinn besteht jedoch nicht. Vielmehr ist jede Partei gehalten, die für ihre Position sprechenden Umstände vorzutragen, weil das Gericht nur die ihm bekannten Umstände in seine Bestimmung einbringen kann. Äußert sich der bestimmungsberechtigte Unternehmer zu bestimmten Faktoren nicht oder nur unzureichend, geht dies nicht zulasten des Mitarbeiters. Von Letzterem kann kein Vortrag zu Umständen verlangt werden, die außerhalb seines Kenntnisbereichs liegen (z. B. der Höhe eines Bonustopfes). Er kann auch nicht auf eine Auskunftsklage verwiesen werden. Vielmehr ist die Leistung durch das Gericht aufgrund der aktenkundig gewordenen Umstände (etwa Höhe der Leistung in den Vorjahren, wirtschaftliche Kennzahlen, Ergebnis einer Leistungsbeurteilung, Umsatzzahlen der Abteilung des Betroffenen, Höhe der Boni von anderen Beschäftigten)festzusetzen. Eine gerichtliche Leistungsfestsetzung scheidet nur dann ausnahmsweise aus, wenn jegliche Anhaltspunkte hierfür fehlen. Nach dem BAG war dies entgegen der Auffassung des Hessischen LAG vorliegend nicht der Fall. Da die gerichtliche Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB regelmäßig Sache der Tatsacheninstanzen ist, wurde der Rechtsstreit zur Festsetzung der Bonushöhe zurückverwiesen.

Ein Überblick über die drei Teilbereiche des „Kollektiven Arbeitsrechts“: Betriebsverfassungsrecht (BetrVG, SprAuG, EBRG), Unternehmensmitbestimmungsrecht (DrittelbG, MitbestG, Montan-MitbestG), Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht (TVG, Artikel 9 III GG)

Konsequenzen

Die Vereinbarung im Arbeitsvertrag, einen jährlichen Bonus zu gewähren, über dessen Höhe nach billigem Ermessen entschieden wird, ist zwar zulässig. Für den Arbeitgeber bleibt sie jedoch risikobehaftet. Mit einem solchen Ermessensbonus geht er zum einen weitergehende Verpflichtungen als mit einem (wirksamen) Freiwilligkeitsvorbehalt ein, da er bei letzteren von vornherein nicht zur Zahlung verpflichtet ist. Zum anderen kann ein Beschäftigter die Festsetzung des Bonus gerichtlich prüfen lassen, wobei das Gericht im Falle der Unverbindlichkeit die Höhe des Bonus selbst bestimmen kann. Das BAG hat mit der vorliegenden Entscheidung die Chancen der Mitarbeiter, ihre Bonusansprüche gerichtlich durchzusetzen, deutlich verbessert. Arbeitgeber können sich im Prozess nicht darauf beschränken, einfach zu schweigen, so dass ein Arbeitnehmer seinen Anspruch begründen muss

Praxistipp

Unternehmen müssen stets im Detail begründen können, warum der gewährte Ermessensbonus billigem Ermessen entspricht, d. h. nachvollziehbar darlegen, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen angemessen berücksichtigt worden sind. Gerade bei einer sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage des Unternehmers kann eine Reduzierung oder – in nicht oft vorkommenden Ausnahmefällen – gar ein Entfallen des Bonus billigem Ermessen entsprechen. Dies kann aber zu Rechtsstreitigkeiten führen, gerade wenn gar kein Bonus gezahlt wird. Die Entscheidung über die konkrete Höhe sollte in jedem Fall mit den Beschäftigten besprochen und ausreichend dokumentiert werden. Denn kann ein Unternehmen vor Gericht nichts über die für ihn entscheidenden Faktoren zur Bonushöhe vortragen, entscheiden die Richter auf Basis der bekannten Informationen nach eigenem Ermessen.

RA und FA für Arbeitsrecht Marco Stahn, Baker Tilly, Frankfurt am Main

Redaktion (allg.)

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