bAV: Keine Fünftelregelung bei Kapitalleistungen aus Pensionskasse

Die einmalige Kapitalabfindung laufender Ansprüche gegen eine der betrieblichen Altersversorgung dienende Pensionskasse unterliegt jedenfalls dann dem regulären Einkommensteuertarif, wenn das Kapitalwahlrecht schon in der ursprünglichen Versorgungsregelung enthalten war. Es handelt sich nicht um ermäßigt zu besteuernde außerordentliche Einkünfte.

BFH, Urteil vom 20. September 2016 – X R 23/15

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Bild: Corgarashu / stock.adobe.com
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Problempunkt

Wurde einem Arbeitnehmer im Rahmen einer Pensionskassenzusage eine Kapitalleistung gewährt, so stellte sich bislang die Frage, ob diese Leistung nach der sog. Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu versteuern ist. Wird eine Kapitalleistung der betrieblichen Altersversorgung ausgezahlt, führt die Anwendung des bei der Einkommensbesteuerung geltenden progressiven Steuertarifs zu einer erhöhten Steuerbelastung für den Arbeitnehmer. Dies kann unbillig sein, da eine betriebliche Altersversorgung wirtschaftlich betrachtet meist über viele Jahre im Rahmen des Arbeitsverhältnisses „erdient“ wird und nicht das Ergebnis der Arbeitsleistung nur eines Jahres darstellt, in dem die Auszahlung des Kapitals erfolgt. Kumuliert die Kapitalleistung im Auszahlungsjahr zudem noch mit weiterem Einkommen, so ist die Belastungswirkung umso gravierender. Die Fünftelregelung will dem begegnen und ermöglicht für Kapitalleistungen unter bestimmten Voraussetzungen die Besteuerung mit einem ermäßigten Steuersatz. Bei der Bestimmung dieses Steuersatzes wird im Grunde unterstellt, dass das Kapital über fünf Jahre gestreckt ausgezahlt wird.

Die Anwendung der Fünftelregelung setzt voraus,

• dass es sich bei der Kapitalleistung um eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit handelt und

• die Kapitalleistung dem Steuerpflichtigen zusammengeballt zufließt.

Entscheidung

Der BFH wies die Klage eines Versorgungsberechtigten ab. Er gab damit der Finanzverwaltung Recht, die die Anwendung der Fünftelregelung abgelehnt hatte. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass es der Kapitalleistung an der Außerordentlichkeit fehle. Dieses Erfordernis dient nach der Rechtsprechung des BFH der Einschränkung des eher weit geratenen Wortlauts des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG. Der 10. Senat des BFH erachtet nur dann eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten als außerordentlich, wenn die Zusammenballung der Einkünfte nicht dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf der jeweiligen Einkünfteerzielung entspricht. Da der Pensionskassenvertrag eine Kapitaloption ausdrücklich regelte, entsprach die Kapitalleistung (der BFH spricht insoweit etwas ungenau von einer Kapitalabfindung) dem vertragsgemäßen Ablauf.

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Konsequenzen

Kapitalleistungen, die eine Pensionskasse vertragsgemäß gewährt, sind keine außerordentlichen Einkünfte. Unerheblich ist dabei, ob eine solche ausschließlich zugesagt wurde oder auf der Ausübung eines eingeräumten Kapitalwahlrechts beruhte. Diese Grundsätze gelten auch für Kapitalleistungen einer Direktversicherung oder eines Pensionsfonds (im Ergebnis ebenso BMF-Schreiben vom 24.7.2013, BStBl. I 2013, S. 1022, Rdnr. 373).

Die eigentliche Brisanz der vorliegenden Entscheidung besteht in der Frage, ob sie auf vertragsgemäß gewährte Kapitalleistungen aus Direktzusagen und Unterstützungskassenzusagen zu übertragen ist, so dass auch bei diesen Durchführungswegen der betrieblichen Altersversorgung eine ermäßigte Besteuerung insoweit nicht mehr möglich wäre. Dass diese Schlussfolgerung zu ziehen sein könnte, ergibt sich aus der undifferenziert und damit umfassend formulierten Wertung des BFH, dass „Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten (…) nur dann außerordentlich (sind), wenn die Zusammenballung der Einkünfte nicht dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf der jeweiligen Einkünfteerzielung entspricht“. Mit anderen Worten: Was vertragsgemäß ist, kann nicht außerordentlich sein. Nach unserer Auffassung ist die Entscheidung jedoch nicht auf vertragsgemäße Kapitalleistungen aus Direktzusagen und Unterstützungskassenzusagen übertragbar. Denn es ist zwischen den Einkunftsarten nach § 19 EStG (nichtselbstständige Arbeit) – anwendbar auf Leistungen aus Direktzusagen und Unterstützungskassenzusagen – und nach § 22 EStG (sonstige Einkünfte) – anwendbar auf Leistungen aus Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen – zu differenzieren. Die Merkmale vertragsgemäß und atypisch sind bei Einkünften nach § 19 EStG nicht relevant, hier genügt es vielmehr mit der Rechtsprechung des 6. Senats des BFH (so zuletzt Urt. v. 31.8.2016 – VI R 53/14) und der Finanzverwaltung (EStR 2012, R 34.4; BMF-Schreiben, a. a. O., Rdnr. 371), wenn die zusammengeballte Auszahlung auf „wirtschaftlich vernünftigen Gründen“ beruht.

Im Urteil vom 31.8.2016 hat der BFH im Übrigen entschieden, dass Versorgungsleistungen, die im Wege der Entgeltumwandlung an die Stelle einer in einem vergangenen Jahr erdienten variablen Vergütung treten, keine Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit sind. Die Anwendung der Fünftelregelung wurde hier versagt, weil es sich entweder um die Entlohnung nur eines Jahres handelte oder es – unter der Annahme eines einheitlichen Versorgungsmodells – wegen zeitlich gestreckter Teilkapitalauszahlungen an der Zusammenballung fehlte.

Praxistipp

Die aktuellen BFH-Entscheidungen geben Anlass zur Prüfung, ob die Fünftelregelung gesetzeskonform angewendet wird.

Abfindungen werden hier i. S. v. nicht von vornherein vertraglich vorgesehenen Kapitalleistungen verstanden, die auf gesonderten Vereinbarungen oder dem § 3 Abs. 2 bis 4 BetrAVG beruhen. Solche sind in allen Durchführungswegen der betrieblichen Altersversorgung als außerordentliche Einkünfte einzustufen.

Joachim H. Kaiser, Gregor Hellkamp, Rechtsabteilung der Aon Hewitt GmbH, Mülheim an der Ruhr

Redaktion (allg.)

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