Ausübung des Direktionsrechts

Durch die Ausübung des Direktionsrechts kann die Lage der Arbeitszeit verändert werden, ohne dass es einer Änderungskündigung bedarf. Die Grenzen des Direktionsrechts werden auch nicht überschritten, weil mittelbar - durch den Wegfall von Zuschlägen - Einkommensverluste eintreten.

(redaktioneller Leitsatz)

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Mai 2001 - 5 Sa 271/01 § 315 BGB

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Bild: schemev / stock.adobe.com
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Problempunkt

Der Kläger war seit 1974 bei der Beklagten beschäftigt. Er arbeitete seit 1985 in Wechselschicht. Nachdem die Beklagte mit dem Betriebsrat Interessenausgleich und Sozialplan vereinbart hatte, wurde der Kläger seit dem 1. Oktober 2000 nicht mehr in einer 3-fach-Wechselschicht, sondern in einer 2-fach-Wechselschicht eingesetzt. Mit dieser Arbeitszeitveränderung waren mittelbar finanzielle Einbußen durch den Wegfall entsprechender Zulagen/Zuschläge verbunden. Mit Schreiben vom 5. September 2000 erklärte die Beklagte dem Kläger die Änderungskündigung zum 31. März 2001. Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt des § 2 Satz 1 KSchG an.

Entscheidung

Das ArbG hatte die Klage abgewiesen, auch die Berufung blieb erfolglos. Die mit der Änderungskündigung beabsichtigte Veränderung der Lage der Arbeitszeit galt nach Ansicht des LAG schon seit dem 1. Oktober 2000. Es habe keines Ausspruchs einer Änderungskündigung bedurft, weil die Veränderung der Lage der Arbeitszeit auf einer Ausübung des Direktionsrechts beruhe. Hierunter falle es, die nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers auch nach ihrer zeitlichen Lage zu bestimmen. Das Direktionsrecht sei nicht überschritten worden, denn es habe keine arbeitsvertragliche Abrede bestanden, den Kläger ausschließlich in einer 3-fach-Wechselschicht zu beschäftigen. Die jahrelange Praxis wirke in diesem Fall noch nicht rechtsbegründend. Das gesetzliche Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sei beachtet worden und schließlich entspräche die Ausübung des Direktionsrechts billigem Ermessen, § 315 BGB. Die Umstrukturierung unterliege als unternehmerische Entscheidung nur der Missbrauchskontrolle. Für eine offensichtlich unsachliche oder willkürliche Entscheidung konnte das LAG aber keine Anhaltspunkte finden. Zudem habe die Beklagte durch Ausgleichszahlungen auf die finanziellen Belange der betroffenen Arbeitnehmer Rücksicht genommen.

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Konsequenzen

Es bedarf keiner Änderungskündigung, wenn bereits durch die Ausübung des Direktionsrechts die Lage der Arbeitszeit geändert werden kann. Dieses Arbeitgeberrecht findet seine Grenze aber in den Vorschriften der Gesetze, des Kollektiv- und Einzelarbeitsvertragsrechts. Wenn also eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung bezüglich der Arbeitszeit besteht, ist diese vorrangig und es bedarf einer Änderungskündigung. Besteht keine vertragliche Abrede, kann sich der Arbeitnehmer unter Umständen auf eine rechtsbegründende, mitunter jahrelange Praxis berufen, wenn er berechtigterweise darauf vertrauen durfte. Für ein solches Vertrauensmoment wird dem Arbeitnehmer allerdings die Beweislast auferlegt (BAG, Urt. v. 14.12.1961 - 5 AZR 180/61, AP Nr. 17 zu § 611 BGB Direktionsrecht).

Praxistipp

Oftmals werden arbeitsvertraglich nur Rahmenbedingungen festgelegt, sodass es dem Arbeitgeber obliegt, nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB den Ort, die Zeit und die Art der zu erbringenden Arbeitsleistung zu bestimmen. Kommt ein Arbeitnehmer der berechtigten Weisung des Arbeitgebers nicht nach, kann die beharrliche Weigerung jedenfalls dann, wenn dem Arbeitnehmer bereits mit einer Kündigung gedroht wurde, eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (BAG, Urt. v. 31.1.1985 – 2 AZR 486/83 – AP Nr. 6 zu § 8a MuSchG 1968). Bei Ausübung des Direktionsrechts hat der Arbeitgeber allerdings die oben aufgezeigten Grenzen zu beachten und darüber hinaus, dass der Arbeitnehmer nicht an einen Arbeitsplatz versetzt werden kann, der wesentlich anders ist (BAG, Urt. v. 26.2.1976 - 3 AZR 166/75, EzA § 611 Nr. 1 Direktionsrecht). Weil typischerweise neben arbeitsbezogenen Weisungen auch arbeitsbegleitende Verhaltensregeln vom Direktionsrecht erfasst werden, lösen solche Weisungen oftmals das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG aus. Denn gerade Fragen, die die Ordnung des Betriebs und das Verhalten von Arbeitnehmern betreffen, sind als klassische Bestandteile des Direktionsrechts einzuordnen. Bei Arbeitszeitfragen ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu beachten.

Alexandra König, Halle (Saale)

Redaktion (allg.)

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