Problempunkt
Die Beklagte hat den Kläger, von Beruf Diplom-Betriebswirt, beginnend ab dem 1. September 1998 als Leiter Controlling eingestellt. Im Zuge der Vertragsanbahnung hatte der Kläger eine unstreitig unvollständige Auflistung seiner bisherigen beruflichen Tätigkeiten überreicht. Es fehlten die letzten zwei bzw. drei Arbeitgeber. Die Beklagte kündigte am 26. Mai 1999 das Arbeitsverhältnis zum 30. September 1999 ohne vorherige Anhörung des Betriebsrats. Erst im Verlauf des Kündigungsschutzverfahrens erklärte sie die Anfechtung und schob die Argumentation nach, der Kläger habe sie vor Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht vollumfänglich über seinen bisherigen beruflichen Werdegang unterrichtet.
Der Kläger räumte zwar Unachtsamkeit hinsichtlich der verkürzten und vereinfachten Darstellung seiner bisherigen Tätigkeiten ein, doch seien diese nie Thema der im Vorfeld geführten Gespräche gewesen. Es hätten stets seine fachlichen Fähigkeiten im Vordergrund gestanden.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung des Arbeitsentgelts bis zum Zeitpunkt des Zugangs der Anfechtungserklärung verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit der Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 29.8.1984 - 7 AZR 34/83 (AP Nr. 27 zu § 123 BGB) geht es von der grundsätzlichen Anwendbarkeit -einer Anfechtung im Arbeitsvertragrecht mit ex-nunc-Wirkung aus und bejaht das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes. Zwischen der Täuschungshandlung und dem Abschluss des Arbeitsvertrages bestehe auch die erforderliche Kausalität. Hierfür genüge es, wenn der Getäuschte Umstände darlege, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein können, und wenn die Täuschung nach der Lebenserfahrung beim Vertragsabschluss Einfluss auf die Entscheidung haben kann. Dies sei im vorliegenden Fall anzunehmen.
Der Kläger habe auch arglistig i. S. des § 123 Abs. 1 BGB gehandelt. Er hätte zumindest billigend in Kauf genommen, dass die Beklagte in ihrer Entscheidung durch die unzutreffenden Abgaben über den beruflichen Werdegang beeinflusst werde.
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Konsequenzen
Praxistipp
Die Argumentation des Arbeitsgerichts ist nicht bedenkenfrei. Sie lässt unberücksichtigt, dass bei einer Anfechtung im Gegensatz zur Kündigung nach allgemeiner Auffassung die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht gewahrt werden müssen. Eine zu weitgehende Anwendung birgt allerdings die Gefahr, die Mitbestimmungsrechte zu beeinträchtigen. Zwar ist mit der einhelligen Rechtsprechung gegen die grundsätzliche Anwendbarkeit der Regeln der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung auch im Arbeitsvertragsrecht nichts einzuwenden; eine Ausdehnung der Anwendungsbereiche erscheint allerdings zweifelhaft. Bislang hatten sich die Gerichte im Wesentlichen mit Konstellationen zu beschäftigen, in denen sich das anfechtbare Verhalten des Arbeitnehmers direkt auf das eingegangene Arbeitsverhältnis ausgewirkt hat, so etwa bei der Anfechtung wegen Verschweigens einer Schwerbehinderung. Sofern ein Arbeitnehmer unvollständige Angaben hinsichtlich seines beruflichen Werdegangs macht, er allerdings unzweifelhaft die berufliche und fachliche Qualifikationen für die angediente Tätigkeit erfüllt, wird zu unterscheiden sein: Fragt der zukünftige Arbeitgeber ausdrücklich nach vorherigen Tätigkeiten und wird die Frage unzutreffend oder unvollständig beantwortet, ist von einer Kausalität und damit einem Anfechtungsrecht auszugehen. Legt der Arbeitnehmer aber lediglich unaufgefordert eine Auflistung über seinen bisherigen Werdegang vor und/oder sind seine vorherigen Beschäftigungen nicht Gegenstand des Einstellungsgesprächs, fehlt es an einer Kausalität zwischen der unzutreffenden Angabe und der Einstellung. Beweisbelastet für eine behauptete Kausalität ist stets der Anfechtende, also der Arbeitgeber.
RA Dr. Ralf Laws, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Steuerrecht, Brilon
Redaktion (allg.)
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