Altersdiskriminierende Stellenausschreibung

Eine innerbetriebliche Stellenausschreibung, die sich nur an Arbeitnehmer im ersten Berufsjahr richtet, kann andere Mitarbeiter mittelbar wegen des Alters benachteiligen.

(Leitsatz des Bearbeiters)

BAG, Beschluss vom 18. August 2009 – 1 ABR 47/08

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Bild: Kzenon/stock.adobe.com
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Problempunkt

Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit Drogeriemärkte. In innerbetrieblichen Stellenausschreibungen suchte sie nach Verkäufern/Kassierern (männlich/weiblich) im ersten Berufs-/ Tätigkeitsjahr. Gemäß dem anzuwendenden Tarifvertrag Einzelhandel Rheinland-Pfalz bzw. Hessen erhöht sich die Vergütung mit der Anzahl der zurückgelegten Berufsjahre. Der Betriebsrat widersprach erfolglos der Aufnahme der Berufsjahre in die Stellenausschreibungen und leitete gemäß § 17 Abs. 2 AGG ein Beschlussverfahren ein. Er vertrat die Auffassung, die Beschränkung auf das erste Berufsjahr halte Arbeitnehmer, die bereits länger tätig sind, davon ab, sich zu bewerben. Da sie i. d. R. älter seien als Berufsanfänger, stelle dies eine nach dem AGG unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters dar. Demgegenüber führte die Arbeitgeberin an, sie sichere durch die Beschränkung die Altersstruktur und spare Lohnkosten. Zudem meinte sie, es liege jedenfalls kein "grober" Verstoß gegen das AGG vor.

Entscheidung

Das BAG gab dem Betriebsrat Recht und untersagte der Arbeitgeberin, die Stellenausschreibungen auf Beschäftigte im ersten Berufs- oder Tätigkeitsjahr zu begrenzen. Nach seiner Auffassung benachteiligt dies Arbeitnehmer mit mehr Berufsjahren mittelbar aufgrund ihres Alters i. S. d. § 3 Abs. 2 AGG. Schließlich sind sie typischerweise älter als Berufsanfänger. Diese mittelbare Ungleichbehandlung war offenkundig auch nicht gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin hat die Besetzung einer Stelle mit einem Berufsanfänger, der bereits im Betrieb beschäftigt ist, weder Einfluss auf die Altersstruktur noch begrenzt dies die Personalkosten.

Das BAG bewertete den Verstoß auch als grob, da die Arbeitgeberin mehrfach und erkennbar ihre Pflicht aus dem AGG, Stellen diskriminierungsfrei auszuschreiben, verletzt hatte.

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Konsequenzen

§ 11 AGG verbietet, eine Stelle unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG auszuschreiben, d. h. sie darf kein Diskriminierungsmerkmal des § 1 AGG als Voraussetzung für die Besetzung enthalten, also z. B. ein bestimmtes Geschlecht, Alter oder eine Religion. § 3 AGG untersagt neben einer unmittelbaren Benachteiligung in Abs. 1 auch eine mittelbare in Abs. 2. Das Merkmal des ersten Berufs-/Tätigkeitsjahrs weist zwar keinen direkten Bezug zum Alter auf. Da jedoch mehr Berufsjahre regelmäßig mit einem höheren Lebensalter einhergehen, benachteiligt das Kriterium ältere Mitarbeiter mittelbar i. S. d. § 3 Abs. 2 AGG. Nicht notwendig ist, diese Annahme statistisch nachzuweisen. Es reicht, wenn das Merkmal – wie hier – typischerweise geeignet ist, Ältere zu benachteiligen.

Allerdings kann eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals gemäß § 3 Abs. 2 AGG gerechtfertigt sein, wenn es geeignet, erforderlich und angemessen ist, ein legitimes Ziel zu erreichen. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber die Beschränkung des Bewerberkreises auf Berufsanfänger damit begründet, dass er so eine ausgewogene Altersstruktur sichern und die Personalkosten begrenzen will. Es ist schon fraglich, ob dies überhaupt legitime Ziele i. S. d. § 3 Abs. 2 AGG darstellt. Jedenfalls aber ist die Besetzung der ausgeschriebenen Arbeitsplätze mit Arbeitnehmern im ersten Berufsjahr nicht geeignet, die Ziele zu erreichen. Eine innerbetriebliche Versetzung beeinflusst weder die zukünftig anfallenden Personalkosten noch die altersmäßige Zusammensetzung der Belegschaft.

Verletzt der Arbeitgeber mehrfach, offensichtlich und schwer wiegend seine Pflichten aus dem AGG, liegt ein „grober Verstoߓ i. S. d. § 17 Abs. 2 Satz 1 AGG vor. Der Betriebsrat hat dann einen Anspruch, dass die diskriminierende Handlung unterlassen wird.

Praxistipp

Das Urteil des BAG befasst sich zwar nur mit einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung, es hat darüber hinaus aber auch Bedeutung für externe Bewerber, § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG. Jeder Arbeitgeber muss nach § 11 AGG dafür sorgen, dass seine Stellenausschreibungen diskriminierungsfrei sind. Dabei sind sie nicht nur auf mögliche unmittelbare Benachteiligungen zu prüfen – was relativ einfach ist. Vielmehr muss das Unternehmen sie zudem auf potenzielle mittelbare Diskriminierungen abklopfen, die häufig nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind.

Dem Arbeitgeber ist es zwar nicht generell verboten, aus unternehmerischen Erwägungen interne Stellenausschreibungen auf bestimmte Altersgruppen auszurichten. Eine solche Beschränkung ist jedoch nur zulässig, wenn er damit ein legitimes Ziel verfolgt. Die sachliche Rechtfertigung, die § 3 Abs. 2 AGG hierfür fordert, ist jedoch alles andere als einfach zu begründen. Die Folgen sind daher schwer kalkulierbar. Unternehmen sollten kritische Merkmale deshalb im Zweifel weglassen. Dies gilt auch, weil das BAG eine „Indizwirkung der hypothetischen Betrachtungsweise“ annimmt und darauf abstellt, dass eine Regelung nur „typischerweise“ geeignet sein muss, Mitarbeiter zu benachteiligen. Allein dies eröffnet weit reichende Interpretationsmöglichkeiten und macht gerichtliche Entscheidungen schwer vorhersehbar.

RA und Notar Dr. Ralf Laws, FA für Arbeitsrecht und für Steuerrecht, Fachberater für Unternehmensnachfolge, Brilon

Redaktion (allg.)

· Artikel im Heft ·

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